Myokarddeformation: Dehnung, Dehnungsrate, Speckle-Tracking
Wie bereits erwähnt kann die linke Ventrikelwand in drei Schichten unterteilt werden: die Innenschicht (Endokard), eine dicke Muskelschicht (Myokard) und die Außenschicht (Epikard). Das Myokard ist die dicke Muskelschicht, welche aus mehreren Faserzügen besteht, die sich in unterschiedlichen Anordnungen um den Ventrikel wickeln. Diese Organisation ermöglicht es dem linken Ventrikel, sich auf sehr raffinierte und effektive Weise zu kontrahieren (Abbildung 1).
Die an das Endokard angrenzende Myokardfasern sind in Längsrichtung (von der Basis zur Spitze) ausgerichtet und ergeben eine longitudinale Verkürzung (Abbildung 1A). Dies bedeutet, dass die Basis in Richtung der Herzspitze gezogen wird.
Myokardfasern in der mittleren Schicht (Wandmitte) sind kreisförmig um die Kurzachse ausgerichtet. Die Kontraktion dieser Schicht führt zu einer radialen Verkürzung, was bedeutet, dass der Durchmesser der Ventrikelhöhle abnimmt (Abbildung 1B).
Die an das Epikard angrenzenden Muskelfasern sind im Verhältnis zu den Fasern der Mittelwand um etwa 60° verdreht ausgerichtet. Die Kontraktion in dieser Schicht führt zu einer verdrehenden (rotierenden) Bewegung des gesamten linken Ventrikels. Basale Segmente drehen sich im Uhrzeigersinn und der Apex dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Diese rotierende bzw. verdrehende Kontraktion wird als zirkumferentielle Verkürzung bezeichnet (Abbildung 1C).
Die linksventrikuläre Funktion hängt von einer komplexen Wechselwirkung zwischen den Muskelfasern dieser Schichten ab, welche zusammen einen hocheffizienten Pumpmechanismus erzeugen.

Traditionelle Methoden zur Untersuchung der linksventrikulären Funktion – z.B. die Ejektionsfraktion (EF), fraktionelle Verkürzung (FV) usw. – decken keine regionalen Variationen der Kontraktionsfunktion auf und auch nicht die Wirksamkeit der longitudinalen, radialen und zirkumferentiellen Kontraktion. Daher sind Methoden wie die Ejektionsfraktion zwar leicht erhältliche Parameter, welche aber einige wichtigen Einblicke in die linksventrikuläre Mechanik nicht bieten können.
Regionale Unterschiede in der Kontraktionsfunktion sind von größter Bedeutung, insbesondere bei einer (bestätigten oder vermuteten) Myokardischämie. Betrachten wir als anschauliches Beispiel einen Patienten mit ischämischer Herzkrankheit, der eine normale Ejektionsfraktion hat, aber bei dem die kontraktile Funktion in der inferioren Wand beeinträchtigt ist. Dieser Befund wird als inferiore Wandbewegungsstörung bezeichnet und könnte ein Hinweis auf einen Myokardinfarkt sein, der unabhängig von der Ejektionsfraktion Auswirkungen auf die Behandlung dieses Patienten haben würde. Daher ist es wichtig, Wandbewegungsstörungen zu erkennen und zu charakterisieren.
Es wurden mehrere Methoden zur Quantifizierung der regionalen Myokardfunktion entwickelt. Diese Methoden analysieren die Bewegung und Deformation (Formänderung) des Myokards während der Systole und Diastole. Die Deformationsbildgebung wurde in der klinischen Praxis implementiert und wird heute generell empfohlen. In diesem Kapitel werden die theoretischen und praktischen Aspekte der Deformation (Dehnung, Dehnungsrate) und Myokardbewegung erläutert.
Myokardbewegung
Myokardbewegung bedeutet, dass sich ein Myokardsegment von einem Punkt zum anderen bewegt. Während der Bewegung hat das gesamte Myokard innerhalb eines Segmentes die gleiche Geschwindigkeit. Die Bewegung ist durch zwei Variablen gekennzeichnet: Distanz und Geschwindigkeit. Die Distanz bezeichnet die Entfernung, die das Myokard zurücklegt. Die Geschwindigkeit kennzeichnet die Geschwindigkeit der Bewegung.
Myokardbewegung und -geschwindigkeit können mit dem gepulsten Gewebedoppler gemessen werden (siehe pulsed-wave-Doppler). Der Gewebedoppler ermöglicht die stichprobenartige Untersuchung bestimmter Regionen oder Strukturen. Dies geschieht durch das Platzieren des Sample Volumes (SV) in die Region von Interesse. Dies wird routinemäßig durchgeführt, um die Geschwindigkeit des Mitralannulus zu messen, der sich während der Systole in Richtung Herzspitze bewegt und dann in seine Ausgangsposition zurückkehrt. Die Geschwindigkeit des Mitralannulus wird verwendet, um die Längskontraktion zu untersuchen. Während der Systole bewegt sich der Mitralannulus in Richtung Herzspitze, in der Diastole tritt die entgegengesetzte Bewegung auf. Die Geschwindigkeit vom Mitralannulus ist ein wichtiges Maß für die globale longitudinale systolische Funktion. Abbildung 2 zeigt die Messung der Mitralannulusgeschwindigkeit im gepulstem Gewebedoppler.

Der Farbgewebedoppler kann auch zur Untersuchung regionaler Geschwindigkeiten verwendet werden. Er hat den Vorteil, größere Bereiche des Myokards gleichzeitig untersuchen zu können, was jedoch auf Kosten einer niedrigeren zeitlichen Auflösung geht.
Nachteile der Verwendung von Bewegung als Funktionsmarker
Der Hauptnachteil der Verwendung von Bewegung als Maß für die regionale kontraktile Funktion besteht darin, dass das gesamte Myokard miteinander verbunden ist. Die Bewegung in einem Bereich wird direkt durch Bewegungen in angrenzenden Bereichen beeinflusst. Dies ermöglicht es, dass sich selbst nekrotisches Myokard (z.B. aufgrund eines Myokardinfarkts) während der Systole und Diastole mitbewegt (vitales, kontrahierendes Myokard, das die nekrotische Zone umgibt, zieht und drückt das abgestorbene Myokard, so dass sich eine Bewegung zeigt). Daraus folgt, dass die Messung der Bewegung in einem einzelnen Punkt sehr irreführend sein kann, da die Bewegung in einem Punkt von den Bewegungen des umgebenden Myokards abhängt.
Die Lösung besteht darin, die Verformung als Maß für die Funktion zu verwenden. Die Begründung für die Messung der Deformation ist, dass sich das abstorbene Myokard während der Systole und Diastole während der Systole und der Diastole nicht verformt (verändert), unabhängig von Bewegungen im umgebenden Myokard. Es hat sich erwiesen, dass die Messung der Deformation der Messung der Bewegung überlegen ist.
Dehnung und Dehnungsrate: Maße der Deformation
Dehnung (engl. strain) ist definiert als Verkürzung oder Verlängerung des Myokards. Eine Verkürzung tritt auf, wenn sich das Myokard kontrahiert (sich zusammenzieht) und eine Verlängerung tritt auf, wenn das Myokard relaxiert (sich ausdehnt). Diese beiden Deformationen können mittels Echokardiographie untersucht werden. Das Hauptziel besteht darin, zu untersuchen, ob die Myokardbewegung normal ist. Dies geschieht, indem der Grad der Deformation (Dehnung) und die Geschwindigkeit, mit sie auftritt (Dehnungsrate, engl. strain rate), bestimmt wird.
Die Dehnung und Dehnungsrate sollte im gesamten Myokard relativ ähnlich sein, da sich alle Regionen während des Herzzyklus ungefähr gleich verformen sollten. Die Untersuchung von Dehnung und Dehnungsrate kann regionale Unterschiede in der Deformation aufdecken, was auf eine Pathologie hinweist. Darüber hinaus kann eine allgemeine Myokarddeformation aufzeigt werden, welche ein Indikator für die globale Funktion ist.
Dehnung: Der Grad der Deformation
Dehnung ist der Grad der Deformation, also ein Maß dafür, wie stark sich das Myokard deformiert. Sie wird berechnet, indem das Ausmaß der Verkürzung oder Verlängerung während des Herzzyklus gemessen wird. Die Formel für die Dehnung lautet wie folgt:
Dehnung = (L–L0)/L0·100
L0 = initiale Myokardlänge; L = finale Länge.
Die Konstante 100 rechnet das Ergebnis in Prozent (%) um.
Wenn die initiale Länge der gemessenen Fläche 10 mm und die finale Länge 12 mm beträgt, beträgt die Dehnung +20% (positive Dehnung). Wenn die initiale Länge 10 mm und die finale Länge 7 mm beträgt, beträgt die Dehnung — 30% (negative Dehnung). Kontraktion (Verkürzung) führt zu einer negativen Dehnung und Relaxation (Verlängerung) zu einer positiven Dehnung (Abbildung 3).

Die Dehnung kann in alle Deformationsrichtungen gemessen werden. Es ist also möglich, die longitudinale, radiale, und zirkumferentielle Dehnung zu untersuchen.
Dehnungsrate: Die Geschwindigkeit der Deformation
Die Dehnungsrate ist die Deformationsgeschwindigkeit, d.h. die Deformation pro Zeiteinheit (Sekunden). Es kann mathematisch gezeigt werden, dass die Deformation pro Zeiteinheit dem Unterschied in der Geschwindigkeit innerhalb eines Bereichs geteilt durch die Länge der Fläche entspricht, wie folgt:
Dehnungsrate = (V1 – V2) / d
Gemäß der obigen Formel kann die Dehnungsrate durch Messen der Geschwindigkeit (unter Verwendung des gepulsten Gewebedopplers) an zwei Punkten des Myokards und des Abstands zwischen den Punkten (Abbildung 4) berechnet werden.

Die Dehnungsrate ist ein Maß für die Geschwindigkeit der Deformation zwischen zwei Messpunkten. Was die Dehnung betrifft, zeigt ein negativer Wert eine Kontraktion an und ein positiver Wert zeigt eine Relaxation an.
Durch die gleichzeitige Abbildung der Dehnungsrate in vielen Teilen des Myokards kann festgestellt werden, ob die Dehnung und Dehnungsrate in allen Teilen gleich ist, was erwartet wird. Der gepulste Gewebedoppler berechnet gleichzeitig die Dehnung und Dehnungsrate.



Zur Berechnung der Dehnung und Dehnungsrate mit Gewebedoppler wird eine Bildrate von 100 FPS (Frames pro Sekunde) verwendet. Der Vorteil des Gewebedopplers besteht darin, dass die zeitliche Auflösung sehr hoch ist und die Methode zur Messung der longitudinalen Dehnung geeignet ist. Leider ist der Gewebedoppler winkelabhängig (ein falscher Beschallungswinkel führt zu einer Unterschätzung der Dehnungsrate) und darüber hinaus kann die radiale und zirkumferielle Dehnung nicht untersucht werden. Diese Mängel wurden durch das Speckle-Tracking überwunden, das als nächstes diskutiert wird.
Speckle-Tracking
Speckle (engl. für Grautonmuster, Sprenkel) ist der Begriff für die Strukturen, die dem Myokard auf dem Ultraschallbild entsprechen. Wie in Abbildung 7 zu sehen ist, erzeugt das Myokard kein homogenes Signal, sondern ein Muster von Variationen des Echosignals. Diese Strukturen werden als Speckles bezeichnet und entstehen durch die Wechselwirkung von Ultraschallwellen (Reflexionen, Proliferation, Interferenz) mit dem Gewebe.

Speckles und Speckle-Tracking
Speckles bewegen sich während der Systole und Diastole und es ist möglich, die Geschwindigkeit und Distanz ihrer Bewegungen zu analysieren. Dies wird als Speckle-Tracking bezeichnet und diese Methode hat den Gewebedoppler zur Messung der Dehnung und Dehnungsrate weitgehend ersetzt. Abbildung 9 zeigt, wie Speckles in der zweidimensionalen Ebene verfolgt werden. Die Dehnung ist definiert als die Änderung des Abstands zwischen zwei Speckle-Punkten, geteilt durch den anfänglichen Abstand:
S = (L1−L0) / L0
L0 = Initiale Distanz zwischen den Punkten.
L1 = Neue Distanz zwischen den Punkten.

Das Speckle-Tracking basiert vollständig auf dem Ultraschallbild, und es sind keine Doppler-Messungen erforderlich. Dies macht das Speckle-Tracking zuverlässiger, da es nicht so abhängig vom Beschallungswinkel ist. Das Speckle-Tracking hat jedoch eine geringere zeitliche Auflösung, was diese Methode bei einer Tachykardie (reduzierte Präzision bei hoher Herzfrequenz) und bei der Untersuchung von weit entfernten Speckles (vom Schallkopf) weniger geeignet macht. Darüber hinaus ist das Speckle-Tracking auch bei seitlichen Bewegungen geringerwertig, was darauf zurückzuführen ist, dass der Ultraschall im Vergleich zur axialen Auflösung eine niedrigere laterale Auflösung aufweist.
Speckle-Tracking verwendet 40 bis 80 FPS und während einer Tachykardie können bis zu 100 FPS benötigt werden. Speckle-Tracking kann für alle vier Kammern verwendet werden, wobei die Messungen im rechten Vorhof und im rechten Ventrikel aufgrund von Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Speckles in der Regel weniger genau sind.
Globale und regionale Dehnung
Moderne Ultraschallsysteme berechnen sowohl die regionale als auch die globale Dehnung. Die regionale Dehnung ist die in jedem Segment berechnete Dehnung. Die globale Dehnung ist der Durchschnitt aller einzelnen Segmente.


Mithilfe des Speckle-Trackings können Dehnung und Dehnungsrate für Bewegungen in longitudinaler, radialer und zirkumferentieller Richtung berechnet werden. Im apikalen Vierkammerblick ist die longitudinale Dehnung am wichtigsten. Die longitudinale Dehnung ist ein robuster Marker für die Herzfunktion und korreliert beispielsweise gut mit der Ejektionsfraktion (EF). Die longitudinale Verformung hängt hauptsächlich von subendokardialen Muskelfasern ab, da diese in Längsrichtung ausgerichtet sind. Die zirkumferentielle Deformation (am besten in der parasternalen kurzen Achse betrachtet) spiegelt in erster Linie epikardiale Fasern wider. Der longitudinale Dehnung nimmt bei Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Kardiomyopathie ab.