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Brugada-Syndrom

Pedro Brugada und seine beiden Brüder Josep und Ramon beschrieben dieses Syndrom im Jahr 1992. Das Syndrom ist durch ein ziemlich eigenartiges EKG charakterisiert und die Patienten erleiden Synkopen, lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien, Herzstillstand oder sogar einen plötzlichen Herztod. Die Brüder Brugada stellten auch fest, dass das Syndrom — das als Brugada-Syndrom bezeichnet wurde — erblich zu sein schien, da viele Patienten über eine Familienanamnese mit gleichen Symptomen und Ereignissen berichteten. Das vielleicht charakteristischste Merkmal waren die typischen ST-Streckenhebungen in den Ableitungen V1-V3.

Prävalenz und Genetik des Brugada-Syndroms

Die Prävalenz des Brugada-Syndroms ist nach wie vor weitgehend unbekannt. Verfügbare Daten deuten darauf hin, dass es in Asien, insbesondere in Thailand, am häufigsten vorkommt. Es wird angenommen, dass die Prävalenz in kaukasischen Populationen ungefähr eines zu zehntausend beträgt. Männer sind ungefähr zehnmal so oft betroffen wie Frauen, sie weisen auch das höchste Risiko für maligne ventrikuläre Arrhythmien auf.

Das Brugada-Syndrom ist hereditär mit autosomal-dominantem Vererbungsmuster. Das bedeutet, dass nur ein mutiertes Gen notwendig ist, um die Erkrankung zu entwickeln. Bis jetzt (2016) wurden mehr als 12 genetische Mutationen mit dem Brugada-Syndrom assoziiert. Diese Mutationen befinden sich in Genen, die für Kalium- und Kalziumkanäle der äußeren Zellmembran kodieren.

Klinische Präsentation des Brugada-Syndroms

Die meisten Patienten sind bis zum Alter von 20 bis 55 Jahren asymptomatisch. Die Erkrankung kann sich mit einem der folgenden Symptome manifestieren:

  • Synkope, Präsynkope
  • Ventrikuläre Tachykardie
  • Kammerflimmern
  • Herzstillstand mit oder ohne plötzlichen Herztod

Daher ist das Brugada-Syndrom eine hochmaligne Erkrankung, die von jedem Gesundheitsdienstleister erkannt werden sollte. Eine Familienanamnese von einem der oben aufgeführten Symptome/Manifestationen sollte immer den Verdacht auf schwere erbliche Arrhythmien wecken. Obwohl Kliniker zunehmend aufmerksam für das Brugada-Syndrom werden, wird die Diagnose trotz offensichtlicher klinischer Präsentation immer noch übersehen.Es sollte angemerkt werden, dass die EKG-Merkmale des Brugada-Syndroms ziemlich spezifisch für die Erkrankung sind, vorausgesetzt, dass die klinischen Charakteristika mit der Erkrankung im Einklang stehen. Es gibt jedoch andere Erkrankungen, die ähnliche EKG-Veränderungen verursachen können. Diese sind wie folgt:

  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie (ARVD/ARVC) Die ARVC manifestiert sich ebenfalls eher bei jungen Erwachsenen und die häufigsten Symptome sind Palpitationen (Prävalenz 40%), Synkopen (30%), plötzlicher Herztod (15%), atypische Brustschmerzen (30%) und Dypnoe (10%). Der wichtigste EKG-Befund sind T-Wellen-Inversionen in V1–V3 (in Abwesenheit eines Rechtsschenkelblocks); praktisch alle Patienten zeigen diese im EKG. Die Epsilon-Welle, die viel seltener vorkommt (ein Drittel der Patienten), ist definiert als eine Welle, die im Anfangsbereich der ST-Strecke auftritt.
  • Eine Hyperkaliämie kann zu ST-Streckenhebungen in V1-V3 führen, die denen des Brugada-Syndroms ähneln. Diese Elektrolytstörung ist mit einem einfachen Bluttest leicht zu diagnostizieren und die ST-Streckenhebungen lösen sich nach der Normalisierung des Kaliumspiegels auf.
  • Brugada-ähnliche EKG-Veränderungen können nach einer elektrischen Kardioversion vorübergehend auftreten.
  • Die frühe Repolarisation (early repolarization) weist auch eine J-Punkt-Hebung auf (ebenso wie das Brugada-Syndrom, siehe unten) und kann ebenfalls zu Synkopen, ventrikulären Arrhythmien und sogar zum plötzlichen Herztod führen Die EKG-Veränderungen der frühen Repolarisation lassen sich jedoch leicht von denen des Brugada-Syndroms unterscheiden, und das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien und plötzlichen Herztod ist erheblich geringer als das Risiko bei Patienten mit Brugada-Syndrom.

Daraus folgt, dass das Brugada-Syndrom eine wahrscheinliche Diagnose bei Patienten mit entsprechenden Symptomen und typischen ST-Streckenhebungen in V1-V3 ist (siehe unten).

Die charakteristischen EKG-Veränderungen können intermittierend sein, weshalb die Diagnose übersehen werden kann. Aus unbekannten Gründen treten die EKG-Veränderungen — ebenso wie Arrhythmien und Todesfälle — häufiger in Ruhe, im Schlaf, bei Fieber und in Situationen mit hohem Vagustonus auf. Interessanterweise scheint körperliche Aktivität keine Arrhythmien hervorzurufen, was das Brugada-Syndrom von anderen Kanalopathien (z.B. Long-QT-Syndrom [LQTS] und arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie [hier treten ventrikuläre Arrhythmien in bis zu 80% der Fälle während körperlicher Betätigung auf]) unterscheidet.

Bei Verdacht auf ein Brugada-Syndrom können die EKG-Veränderungen unter kontrollierten Umständen pharmakologisch induziert werden. Natriumkanalblocker (Ajmalin, Flecainid) werden unter Defibrillations- und Reanimationsbereitschaft intravenös verabreicht, um die EKG-Veränderungen zu hervorzurufen. Es ist anzumerken, dass die Liste der Medikamente und Störungen, die ein Brugada-Veränderungen im EKG (und damit das Risiko von Arrhythmien) auslösen können, viel länger ist und Betablocker, Kokain, Hyperkalzämie usw. umfasst. Diese Liste wird unter www.brugadadrugs.org kontinuierlich aktualisiert und gepflegt.

Das EKG beim Brugada-Syndrom

Abbildung 1. Brugada-Syndrom Typ 1, Typ 2, Typ 3.
Abbildung 1. Brugada-Syndrom Typ 1, Typ 2, Typ 3.

Das EKG beim Brugada-Syndrom: Kriterien und Definitionen

Das Brugada-Syndrom kann in drei verschiedenen EKG-Mustern auftreten, die anhand des EKGs als Brugada Syndrom Typ 1, Typ 2 und Typ 3 bezeichnet werden. Das typischste (und diagnostisch) ist das Brugada-Syndrom Typ-1. Es zeigt große, gewölbte ST-Streckenhebungen und T-Wellen-Inversionen in den Ableitungen V1-V3. Die gewölbten ST-Streckenhebungen können einer Haifischflosse ähneln. Siehe Abbildung 1, Panel A. Diese EKG-Veränderungen dürfen nicht einem Rechtsschenkelblock verwechselt werden, da ein solcher Fehler für den Patienten verheerend sein kann. Prospektive Studien zeigen, dass das Brugada-Syndrom Typ 1 das stärkste Risiko für zukünftige ventrikuläre Arrhythmien und Herzstillstand aufweist.

Es ist anzumerken, dass die EKG-Veränderungen bei Patienten mit Brugada-Syndrom dynamisch sind. Die meisten Patienten haben tatsächlich die meiste Zeit ein normales EKG, konvertieren aber spontan in die Brugada EKG-Muster. Wie oben erwähnt, können bestimmte Medikamente (www.brugadadrugs.org) und Situationen (Schlafen, Ruhe, Fieber) ebenfalls die EKG-Veränderungen auslösen. Der Patient kann alle drei Brugada-EKG-Typen aufzeigen, selbst während derselben EKG-Aufzeichnung.

  • Brugada-Syndrom Typ 1: Gewölbte ST-Hebung ≥2 mm, die sich in eine T-Wellen-Inversion in Ableitung V1 und/oder V2 fortsetzt. Dieses Muster sichert eine Diagnose des Brugada-Syndroms (d.h. keine anderen Untersuchungen sind notwendig). Beachte, dass die Elektroden von Ableitung V1 und V2 bei der Suche nach den EKG-Veränderungen im zweiten, dritten oder vierten Interkostalraum platziert werden können. Siehe Abbildung 1.
  • Brugada-Syndrom Typ 2: Sattelförmige ST-Hebung mit erhöhtem J-Punkt in den Ableitungen V1 und/oder V2 ≥2 mm. Der terminale Anteil der ST-Strecke ist ≥1 mm erhöht.
  • Brugada-Syndrom Typ 3: Ähnlich wie die Typ 2-Kriterien, aber der terminale Anteil der ST-Strecke ist <1 mm erhöht.

Wie erwähnt ist es erlaubt, das 12-Kanal-EKG mit den Elektroden von V1 und V2 im zweiten, dritten oder vierten Interkostalraum aufzuzeichnen, um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, die EKG-Veränderungen zu erkennen. Dieses Manöver wird in den verfügbaren Konsensschreiben empfohlen.

In Bezug auf die EKG-Muster Typ 2 und Typ 3 wird eine Diagnose des Brugada-Syndroms nur gestellt, wenn der Patient bei Verabreichung von Antiarrhythmika der Klasse I in das Typ-1-EKG-Muster konvertiert (dies wird unter kontrollierten Umständen im elektrophysiologischen Labor untersucht).

Screening auf das Brugada-Syndrom

Es ist angebracht, Familienmitglieder von Patienten mit Brugada-Syndrom ebenfalls zu untersuchen. Ebenso sollte bei allen Patienten mit klinischen Merkmalen, die den Verdacht auf ein Brugada-Syndrom wecken, ein EKG geschrieben werden. Derzeit gibt es keine anderen Indikationen für ein Screening.

Prognose

Das Risiko für Synkopen, lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien, Herzstillstand und/oder plötzlichen Herztod ist bei Patienten mit Brugada-Syndrom sehr hoch. Das Risiko ist im Schlaf, in Ruhe, bei Fieber und in Situationen mit hohem Vagustonus am größten. Die ventrikuläre Tachykardie ist polymorph. Darüber hinaus ist das Risiko bei Patienten mit einem Typ-1-EKG-Muster am höchsten. Aus unbekannten Gründen entwickeln bis zu 20% der Patienten mit Brugada-Syndrom supraventrikuläre Tachyarrhythmien wie Vorhofflimmern (AV-Knoten-Reentrytachykardien und WPW-Syndrom wurden ebenfalls beschrieben).

Behandlung und Managment des Brugada-Syndroms

Einige kleinere Änderungen des Lebensstils sind angebracht. Es wird angenommen, dass übermäßiger Alkoholkonsum pro-arrhythmisch wirkt und daher vermieden werden sollte. Der Patient darf keine Medikamente einnehmen, die Arrhythmien auslösen können. Die Liste dieser Medikamente ist umfangreich und eine ständig aktualisierte Liste ist unter www.brugadadrugs.org/drug-lists verfügbar.

ICD (Implantable Cardioverter Defibrillator) bei Brugada-Syndrom

Prospektive Studien zeigen, dass die Implantation eines ICD in ausgewählten Fällen des Brugada-Syndroms von großem Nutzen sein kann. Der ICD verhindert einen plötzlichen Herztod und erhöht so das Überleben. ICD ist jedoch bei Personen mit asymptomatischem Brugada-Syndrom (unabhängig vom EKG-Muster) nicht indiziert, da das Risiko eines plötzlichen Herzstillstands sehr gering ist.

Ein ICD sollte in folgenden Situationen in Betracht gezogen werden:

  • Patienten, die einen Herzstillstand überlebt haben, sollten einen ICD haben.
  • Patienten mit dokumentierter persistierender ventrikuläre Tachykardie sollten einen ICD haben.
  • Patienten mit Brugada-Syndrom Typ 1 und einer Synkope in der Vorgeschichte können von einem ICD profitieren. Ein ICD sollte daher in Betracht gezogen werden.
  • Patienten mit induzierbarem Kammerflimmern während invasiver Provokation (Stimulation während der elektrophysiologischen Untersuchung) können von einem ICD profitieren. Ein ICD sollte daher in Betracht gezogen werden.

Ein ICD ist bei asymptomatischen Personen unabhängig vom EKG-Muster nicht indiziert. ICD ist nur aufgrund einer Familienanamnese von kardialen Ereignissen ebenfalls nicht indiziert. Wenn jedoch ein ICD in Betracht gezogen wird, sollte man die Familienanamnese in die Risikostratifizierung einbeziehen.

Chinidin (Antiarrhythmikum der Klasse I)

Chinidin reduziert die Inzidenz ventrikulärer Arrhythmien bei Patienten mit Brugada-Syndrom. Dieses Medikament kann bei Patienten mit drei oder mehr Episoden von Kammerflimmern oder ventrikulärer Tachykardie innerhalb von 24 Stunden in Betracht gezogen werden. Chinidin sollte auch bei Patienten in Betracht gezogen werden, die keinen ICD haben möchten oder eine Kontraindikation für die Implantation eines ICD haben.

References

Priori et al: Executive summary: HRS/EHRA/APHRS expert consensus statement on the diagnosis and management of patients with inherited primary arrhythmia syndromes.

Antzelevitch et al: Brugada Syndrome: Report of the Second Consensus Conference.

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