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  10. Pädiatrisches und neonatales EKG
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Reizleitungsstörungen durch Myokardischämie und -infarkt

Bradykardie und Reizleitungsstörungen wie Schenkelblock, Faszikelblock und AV-Block sind bei Myokardischämie und -infarkt häufig. Diese Pathologien können als Zeichen einer Ischämie betrachtet werden, weshalb man sie kennen muss. Um die verschiedenen Komplikationen von Ischämie/Infarkt in Bezug auf das Reizleitungssystem vollständig zu verstehen, muss man mit der Gefäßversorgung seiner Bestandteile vertraut sein. Abbildung 1 zeigt alle relevanten Teile des Reizleitungssystems und ihre Blutversorgung.

Abbildung 1. Die Bestandteile des Reizleitungssystems und ihre Gefäßversorgung. RCA = Arteria coronaria dextra. RIVA = Ramus interventricularis anterior. RCX = Ramus circumflexus.
Abbildung 1. Die Bestandteile des Reizleitungssystems und ihre Gefäßversorgung.
RCA = Arteria coronaria dextra (ACD).
RIVA = Ramus interventricularis anterior (engl. LAD).
RCX = Ramus circumflexus (engl. LCX).

Arterielle Blutversorgung des Reizleitungssystems

Abbildung 1 zeigt die Bestandteile des Reizleitungssystems und ihre arterielle Blutversorgung. Das erste Drittel des rechten Tawara-Schenkels verläuft im Endokard nahe der Ventrikelhöhle und kann bis zu einem gewissen Grad Sauerstoff aus dem Blut in der Ventrikelhöhle erhalten. Danach läuft der rechte Schenkel tiefer ins Myokard, was etwa ein weiteres Drittel seines Verlaufs ausmacht. Im letzten Drittel gelangt er wieder näher an das Endokard heran. Der rechte Tawara-Schenkel gibt während seines Verlaufs durch das Ventrikelseptum keine Purkinje-Fasern ab. Er beginnt sich erst am Ursprung des vorderen Papillarmuskels zu verzweigen. Das Ventrikelseptum erhält Purkinje-Fasern aus dem linken Tawara-Schenkel.

Versorgungstypen des Herzens

Der Versorgungstyp des Herzens wird durch die Koronararterie bestimmt, die den Ramus interventricularis posterior (RIVP, PDA) abgibt. Dieser versorgt die inferiore Wand des linken Ventrikels. Ein Rechtsversorgungstyp bedeutet, dass der RIVP von der rechten Koronararterie (RCA) versorgt wird. Ein Linksversorgungstyp bedeutet, dass der RIVP vom Ramus circumflexus aus der linken Koronararterie versorgt wird. Der Rechtsversorgungstyp ist bei weitem die häufigste anatomische Variante und tritt bei 90% aller Personen auf.

Abbildung 2. Koronararterien bei einem Rechtsversorgungstyp.
Abbildung 2. Koronararterien bei einem Rechtsversorgungstyp.

Schenkelblöcke

Schenkelblöcke können durch Ischämie/Infarkt verursacht werden. Ein neu aufgetretener Schenkelblock bei einem Patienten mit Brustschmerzen ist ein deutlicher Hinweis auf anhaltende Ischämie/Infarkt. Bei allen Patienten mit akutem Myokardinfarkt beträgt die Prävalenz eines Rechts- bzw. Linksschenkelblocks im Aufnahme-EKG 6 % bzw. 7 %. Ein Teil dieser Patienten hat einen neu aufgetretenen Schenkelblock – im Falle eines Linksschenkelblocks sollte dies den behandelnden Arzt zu einer Herzkatheteruntersuchung veranlassen (diskutiert in Linksschenkelblock und Ischämie/Infarkt). Studien zeigen, dass Personen mit akutem Myokardinfarkt, die beim Aufnahme-EKG keinen Schenkelblock aufweisen, während des Krankenhausaufenthalts in den meisten Fällen auch keinen Schenkelblock entwickeln.

Wie bereits erwähnt, erschweren bestehende Schenkelblöcke die Befundung von Ischämiezeichen, was erklärt, warum Patienten mit Schenkelblöcken im Vergleich zu Patienten ohne Schenkelblöcke suboptimal behandelt werden (hinsichtlich evidenzbasierter medikamentöser Therapie und PCI). Darüber hinaus zeigen Patienten mit Schenkelblock eine höhere Mortalität als Patienten mit intaktem Reizleitungssystem.

Patienten mit ischämischer Herzkrankheit (oder Myokardinfarkt), die einen Rechtsschenkelblock haben, haben typischerweise auch einen Faszikelblock. Dies wird als bifaszikulärer Block bezeichnet. Meist ist der anteriore Faszikel betroffen, da er am empfindlichsten auf Myokardischämie reagiert. Beachten Sie, dass isolierte Faszikelblöcke bei akutem Myokardinfarkt selten sind.

Linksschenkelblock

Linksschenkelblock und Ischämie/Infarkt wurden zuvor diskutiert; siehe Linksschenkelblock bei Ischämie und Infarkt.

Rechtsschenkelblock

Ein Rechtsschenkelblock betrifft hauptsächlich den Endteil des QRS-Komplexes, was zu einer zweiten R-Zacke (als R’ bezeichnet) in V1-V3 und einer breiten und tiefen S-Zacke in V5-V6 führt. Ein Rechtsschenkelblock beeinflusst jedoch nur die Erregung des rechten Ventrikels; der linke Ventrikel wird normal erregt, weshalb die Infarktkriterien des QRS-Komplexes (pathologische Q-Zacken) bei einem Rechtsschenkelblock angewendet werden können.

Ein Rechtsschenkelblock wird auch sekundäre ST-T-Veränderungen in Ableitung V1-V3 verursachen, aber diese sind nicht stark genug, um ischämische ST-T-Veränderungen des linken Ventrikels zu maskieren (weil jene stärkere elektrische Potenziale aufweisen). Die klassischen EKG-Veränderungen (und EKG-Kriterien), die bei STE-ACS/STEMI und NSTE-ACS/NSTEMI gelten, gelten auch bei Vorliegen eines Rechtsschenkelblocks.

Zusammenfassend gesagt: Die EKG-Befundung von Ischämiezeichen kann bei einem Rechtsschenkelblock wie üblich ablaufen.

Zu beachten ist auch eine Pseudonormalisierung von T-Wellen-Inversionen (d.h. eine “Normalisierung” vorbekannter T-Wellen-Inversionen). Dies ist ein Anzeichen für eine Ischämie, wenn es in V1-V3 auftritt.

Wie oben erwähnt, wird der Rechtsschenkelblock oft von einem Faszikelblock begleitet. In den allermeisten Fällen ist es der anteriore Faszikel, der von Ischämie/Infarkt betroffen ist. Dies führt zu Q-Zacken in V2-V3, doch diese Q-Zacken sind normalerweise klein und erfüllen nicht die Kriterien pathologischer Q-Zacken.

Interessanterweise berichteten Widimsky et al (European Heart Journal, 2014), dass ein neu aufgetretener Rechtsschenkelblock (mit oder ohne Faszikelblock) ein ebenso starker Prädiktor eines akuten Gefäßverschlusses sein könnte wie ein Linksschenkelblock. Sie zeigten auch, dass die Krankenhausmortalität bei Patienten mit neu aufgetretenem Rechtsschenkelblock mindestens gleich hoch war wie bei Patienten mit neu aufgetretenem Linksschenkelblock. Die Autoren schlugen vor, dass ein neu aufgetretener Rechtsschenkelblock gleich bewertet werden sollte wie ein neu aufgetretener Linksschenkelblock.

AV-Blöcke und Bradykardie (Bradyarrhythmie)

Diese Reizleitungsstörungen entstehen bei Ischämie/Infarkt aufgrund einer Dysbalance des autonomen Nervensystems (vorübergehende autonome Dysfunktion ist bei Myokardinfarkt häufig) oder als direkte Folge von Ischämie/Infarkt. Wichtig ist, dass Reizleitungsstörungen, die durch inferiore Ischämie/Infarkt verursacht werden, in den allermeisten Fällen vorübergehend sind, während Reizleitungsstörungen aufgrund eines anterioren Infarkts tendenziell dauerhaft sind. Es liegen keine Daten zu Unterschieden der Inzidenz dieser Reizleitungsstörungen bei NSTE-ACS/NSTEMI und STE-ACS/STEMI vor. Allerdings entwickeln etwa 7% der Patienten mit NSTE-ACS/NSTEMI einen höhergradigen AV-Block (AV-Block II. Grades oder höher).

Reizleitungsstörugen durch Ischämie/Infarkt der inferioren Wand

Reizleitungsstörungen können an jedem Zeitpunkt zwischen dem Beginn einer Ischämie bis einige Tage nach einem kompletten Infarkt auftreten. Eine Sinusbradykardie tritt bei bis zu 40% der Patienten mit Myokardischämie/-infarkt der inferioren Wand auf. AV-Blöcke sind ebenfalls häufig. Sowohl Sinusbradykardie als auch AV-Blöcke werden in der Regel durch eine Dysbalance des autonomen Nervensystems verursacht, genauer gesagt durch einen gesteigerten Vagotonus. Dieses Phänomen tritt nur bei inferiorer Ischämie/inferiorem Infarkt auf. Wichtig ist, dass sowohl Sinusbradykardie und als auch AV-Blöcke, die durch erhöhten Vagotonus bedingt sind, reversibel sind und sich normalerweise innerhalb einer Woche zurückbilden. Die Gabe von Atropin erhöht die Herzfrequenz (d.h. eine Ischämie/Infarkt der inferioren Wand reagiert auf Atropin).

AV-Blöcke können darüber hinaus durch Ödeme oder eine Akkumulation von Adenosin im atrioventrikulären System verursacht werden. Diese Art von AV-Blöcken tritt normalerweise subakut (nach 24 Stunden) auf und bildet sich spontan zurück. Typisch ist, dass diese Art von AV-Blöcken eine allmähliche Normalisierung von einem drittgradigen über einen zweitgradigen und erstgradigen AV-Block bis hin zu einer normalen AV-Überleitung zeigt. Diese Art von AV-Blöcken reagiert jedoch nicht auf Atropin.

Ein höhergradiger AV-Block (AV-Block II. Grades Typ 2 oder AV-Block III. Grades) tritt bei 10% der Patienten mit inferiorer Ischämie/inferiorem Infarkt auf. Diese Reizleitungsstörung liegt normalerweise im AV-Knoten, was bedeutet, dass ein Ersatzrhythmus normalerweise distal der Störung entsteht. Ersatzrhythmen, die in der Nähe der Gabelung des His-Bündels entstehen, haben einen normalen QRS-Komplex (QRS-Intervall <0,12 s), während diejenigen, die distal der Gabelung entstehen, breite QRS-Komplexe haben.

AV-Blöcke im Rahmen von inferiorer Ischämie/inferiorem Infarkt verursachen selten eine hämodynamische Einschränkung (solange die Ejektionsfraktion nicht deutlich reduziert ist). Darüber hinaus bildet sich die überwiegende Mehrheit der AV-Blöcke aufgrund von inferiorer Ischämie/inferiorem Infarkt innerhalb einer Woche spontan zurück.

Tabell 1. Reizleitungsstörungen bei inferiorer Ischämie/inferiorem Infarkt

StörungKommentarPrognose
SinusbradykardieDie häufigste Komplikation. Betrifft bis zu 40% der Fälle.Verursacht durch erhöhten Vagotonus und daher vorübergehend.
SinusknotendysfunktionWeniger verbreitet. Kann in der subakuten Phase beobachtet werden (>24 Stunden)Überwiegend dauerhaft.
AV-Block I. GradesHäufigDie Mehrheit bildet sich innerhalb einer Woche zurück.
AV-Block II. Grades, Mobitz Typ 1 (Wenckebach)Relativ häufigDie Mehrheit bildet sich innerhalb einer Woche zurück.
AV-Block II. Grades, Mobitz Typ 2Ungewöhnlich. Mobitz Typ II ist häufiger bei anteriorer Ischämie/anteriorem Infarkt.Die Mehrheit bildet sich innerhalb einer Woche zurück.
AV-Block III. GradesHäufig (10% der inferioren Ischämien/Infarkte). In der Regel verursacht durch intranodale Störungen. Entwickelt sich allmählich von einem I.- zu II.- zu III.-gradigem Block, der in asymptomatischer Bradykardie gipfelt. Viel seltener bei anteriorer -Ischämie/anteriorem Infarkt (Prävalenz 3%).Die Mehrheit bildet sich innerhalb einer Woche zurück.

Reizleitungsstörungen durch Ischämie/Infarkt der anterioren Wand

Reizleitungsstörungen, die durch einen Vorderwandinfarkt entstehen, werden durch Nekrose verursacht und sind daher nicht reversibel. Die Ursache ist fast unweigerlich eine Okklusion des RIVA (Ramus interventricularis anterior, LAD), was zu einer Nekrose des Ventrikelseptums führt. AV-Blöcke bei anteriorem Infarkt sind auf eine Nekrose im His-Bündel zurückzuführen, weshalb jeder Ersatzrhythmus üblicherweise breite QRS-Komplexe aufweist (meistens mit einer Rechtsschenkelblock-Morphologie). Eine verlängerte PQ-Zeit ist sehr häufig.

AV-Blöcke II. Grades bei anteriorem Infarkt sind normalerweise vom Typ Mobitz 2. Eine ausgedehnte Nekrose des Ventrikelseptums kann zu einem AV-Block III. Grades führen. Der Entwicklung eines AV-Blocks III. Grades geht in der Regel ein neu aufgetretener Rechtsschenkelblock mit Achsabweichung nach rechts oder links voraus. Dies sollte den Kliniker auf das Risiko eines AV-Blocks III. Grades aufmerksam machen. Der durch den Septuminfarkt verursachte Rechtsschenkelblock ist normalerweise mit einer Q-Zacke in V1 (QR-Komplex) assoziiert. Da der rechte Tawara-Schenkel und der anteriorer Faszikel beide durch die proximalen Septumzweige des RIVA mit Blut versorgt werden, ist eine Kombination von Rechtsschenkelblock und anteriorem Faszikelblock (d.h. bifazikulärer Block) bei einem Vorderwandinfarkt häufig. Eine Kombination von Rechtsschenkelblock und posteriorem Faszikelblock ist dagegen viel seltener. Insbesondere erhöht ein bifaszikulärer Block das Risiko für einen AV-Block III. Grades deutlich. Besonders hoch ist das Risiko, wenn gleichzeitig ein AV-Block I. Grades vorliegt (dies wird oft als trifaszikulärer Block bezeichnet); in dieser Situation ist meist ein künstlicher Schrittmacher nötig.

Vorderwandinfarkte mit begleitendem AV-Block III. Grades sind mit einer sehr hohen Mortalität assoziiert. Einige Studien haben eine Sterblichkeitsrate von bis zu 80% angegeben.

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