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Linksschenkelblock (LSB) bei akutem Myokardinfarkt: klinische Implikationen & Sgarbossa-Kriterien

Im Gegensatz zum Rechtsschenkelblock ist der Linksschenkelblock immer ein pathologischer Befund, der die Herz-Kreislauf- und Gesamtmortalität beeinflusst. Der Linksschenkelblock ist häufiger bei Personen mit strukturellen und ischämischen Herzerkrankungen. Die Beurteilung einer Ischämie im EKG ist bei Vorhandensein eines Linksschenkelblocks schwierig. Dies liegt daran, dass ein Linksschenkelblock erhebliche Veränderungen der linksventrikulären De- und Repolarisation verursacht, die zu (sekundären) ST-T-Veränderungen führen. Solche ST-T-Veränderungen können eine Ischämie imitieren und/oder maskieren. Die Imitation der Ischämie manifestiert sich in ST-Streckenhebungen in den Ableitungen V1-V2, begleitet von ST-Streckensenkungen in den Ableitung V5, V6, I und aVL. Kliniker verwechseln diese Hebungen und Sekungen häufig mit denen eines ST-Hebungsinfarktes (STEMI/STE-ACS). In der Tat haben mehrere Studien gezeigt, dass die Mehrheit der Patienten, die mit Verdacht auf einen STEMI (STE-ACS) fälschlicherweise an das Katheterisierungslabor verwiesen wurden, tatsächlich einen Linksschenkelblock hatten. Die Maskierung der Ischämie erfolgt, weil die durch den Schenkelblock verursachten ST-T-Veränderungen stärker sind als die durch Ischämie verursachten ST-T-Veränderungen, weshalb die Ischämie nicht zum Ausdruck kommt (es gibt Ausnahmen von dieser Regel, wie unten beschrieben). Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, haben Wissenschaftler EKG-Kriterien entwickelt, die eine Ischämie bei vorhandenem Linksschenkelblock offenlegen. Die bisher erfolgreichsten Kriterien wurden von Elena Sgarbossa und Kollegen entwickelt, die daher als Sgarbossa-Kriterien bezeichnet werden.

Implikationen eines Linksschenkelblocks bei Myokardischämie/Infarkt

Die Probleme, die auftreten, wenn ein Patient mit einem Linksschenkelblock (LSB) und Symptomen einer Ischämie konfrontiert wird, werden hier noch einmal zusammengefasst:

  • Nachahmung: Der Linksschenkelblock verursacht sekundäre ST-T-Veränderungen, mit ST-Streckenhebungen in V1/V2- und ST-Streckensenkungen sowie T-Wellen-Inversionen in V5, V6, aVL und I. QS-Komplexe sind möglicherweise in V1-V2 zu sehen.
  • Maskierung: Ein LSB kann ischämische ST-T-Veränderungen maskieren.
  • Gefahr: Ein neuer LSB bei Patienten mit Brustbeschwerden impliziert eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit einer akuten Okklusion der Koronararterien. Diese Patienten sollten als Patienten mit STEMI/STE-ACS behandelt werden. Wenn keine vorherigen EKG-Aufzeichnungen verfügbar sind, muss man von einem neu aufgetretenen LSB ausgehen.

Management eines Linksschenkelblock (LSB) bei Patienten mit akuten Koronarsyndromen (ACS)

Wie bereits besprochen, müssen Patienten mit Brustbeschwerden und neuem oder vermutlich neuem LSB sofort an das Katheterisierungslabor überwiesen werden, um eine Angiographie durchzuführen. Dies liegt daran, dass frühe Studien (aus den 1990er Jahren) zeigten, dass Patienten mit Brustbeschwerden und einem neuen (oder vermutlich neuen) LSB, die sofort zur Angiographie (PCI) verwiesen wurden, ein höheres Überleben hatten als vergleichbare Patienten ohne Angiographie. Ein signifikanter Teil dieser Patienten hatte eine akute Koronararterienokklusion und es wurde vermutet, dass diese Okklusion die LSB verursacht hat. Seitdem empfehlen die Leitlinien, Patienten mit Brustbeschwerden und neuem oder vermutlich neuem LSB wie Patienten mit STE-ACS/STEMI zu behandeln (d.h. sie sollten sich sofort eine Angiographie bekommen). Dies führt leider zu vielen unnötigen Angiographien, da nur eine Minderheit (zwischen 5% und 20%) dieser Patienten tatsächlich eine akute Okklusion hat. Die vielen Falsch-Positiven sind auf Folgendes zurückzuführen:

  1. Ein erheblicher Teil der Linksschenkelblöcke ist nicht neu, sondern einfach neu für das Gesundheitssystem (z.B. beim Fehlen früherer EKG-Aufzeichnungen).
  2. Selbst wenn der Linksschenkelblock neu ist, so ist die Okklusion möglicherweise nicht vollständig. In diesem Fall bringt eine PCI keinen Überlebensvorteil.

Sgarbossa-EKG-Kriterien für den Nachweis einer Ischämie bei Vorhandensein eines Linksschenkelblocks (LSB)

Aus offensichtlichen Gründen haben Wissenschaftler intensiv daran gearbeitet, EKG-Veränderungen herauszuarbeiten, die auf eine Ischämie bei Vorhandensein eines Linksschenkelblocks hinweisen. Die größten Fortschritte erzielten 1996 Elena Sgarbossa und Kollegen (unter Verwendung von Daten aus der GUSTO-I-Studie). Sie entwickelten eine Reihe von Kriterien, die einfach handzuhaben sind und in mehreren Studien validiert wurden. Diese Kriterien, die als Sgarbossa-Kriterien bezeichnet werden, können bestimmen, ob bei Vorliegen eines LSB im EKG eine akute Ischämie vorliegt. Die Sgarbossa-Kriterien bestehen aus drei einfachen Kriterien und können unabhängig vom Zeitpunkt des Beginns auf alle Linksschenkelblöcke angewendet werden, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Auftretens.

Jedes Kriterium ergibt zwischen 2 und 5 Punkte. Studien zeigen, dass ein Cut-Off von ≥3 Punkten eine Sensitivität von 20— 36% und eine Spezifität von 90— 98% für einen STEMI bei LSB ergibt. Abbildung 1A illustriert die Kriterien von Sgarbossa.

Abbildung 1. (A) EKG-Kriterien (Sgarbossa-Kriterien) für einen akuten ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bei der vorhandenem LSB. Jedes Kriterium ergibt 2 bis 5 Punkte. Studien zeigen, dass ein Cut-Off von ≥3 Punkten eine Sensitivität von 20— 36% und eine Spezifität von 90— 98% für einen akuten ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bei LSB ergibt. (B) Die Kriterien 1 und 2 der ursprünglichen Sgarbossa-Kriterien bleiben unverändert. Die R- oder S-Welle (je nachdem, welche am auffälligsten ist) und die ST-Strecke (relativ zur PQ-Strecke) werden auf die nächsten 0,5 mm gemessen. Das ST/S-Verhältnis wird für jede Ableitung berechnet, die diskordante ST-Abweichungen ≥1 mm aufweisen.
Abbildung 1. (A) EKG-Kriterien (Sgarbossa-Kriterien) für einen akuten ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bei der vorhandenem LSB. Jedes Kriterium ergibt 2 bis 5 Punkte. Studien zeigen, dass ein Cut-Off von ≥3 Punkten eine Sensitivität von 20— 36% und eine Spezifität von 90— 98% für einen akuten ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bei LSB ergibt. (B) Die Kriterien 1 und 2 der ursprünglichen Sgarbossa-Kriterien bleiben unverändert. Die R- oder S-Welle (je nachdem, welche am auffälligsten ist) und die ST-Strecke (relativ zur PQ-Strecke) werden auf die nächsten 0,5 mm gemessen. Das ST/S-Verhältnis wird für jede Ableitung berechnet, die diskordante ST-Abweichungen ≥1 mm aufweisen.

Modifizierte Sgarbossa-Kriterien

Die von Smith et al. (2012) eingeführten modifizierten Sgarbossa-Kriterien ersetzen das dritte der ursprünglichen Sgarbossa-Kriterien (d.h. die absolute ST-Hebung ≥5 mm ) durch ein ST/S-Verhältnis von weniger als -0,25. Die Messung des ST/S-Verhältnisses ist in Abbildung 1B dargestellt. Die Verwendung dieses Kriteriums verbessert die Präzision der Sgarbossa-Kriterien. Darüber hinaus verwenden die modifizierten Sgarbossa-Kriterien kein Punktesystem, sondern es muss nur 1 von 3 Kriterien als positiv angesehen werden (d.h. es deutet stark auf eine akute Ischämie hin).

Das ST/S-Verhältnis messen

Es wird die Amplitude der R- oder S-Welle (je nachdem, welche am auffälligsten ist) gemessen sowie die ST-Strecke (relativ zur PQ-Strecke auf die nächsten 0,5 mm. Das ST/S-Verhältnis wird für jede Ableitung berechnet, die eine diskordante ST-Abweichung von ≥1 mm aufweist. Während die ursprünglichen Sgarbossa-Kriterien daher eine absolute Messung der ST-Hebung verwenden, benutzen die modifizierten Kriterien ein Kriterium der Proportionalität. Die Amplitude der ST-Abweichung wird mit der Amplitude der R- oder S-Welle verglichen, was sowohl die Sensivität als auch die Spezifität für einen akuten Myokardinfarkt erhöht.

Linksschenkelblock (LSB), linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) und Schrittmacherrhythmus schließen Infarktkriterien aus

Europäische und nordamerikanische Leitlinien legen fest, dass die EKG-Kriterien für eine Ischämie/Infarkt nicht angewendet werden dürfen, wenn das EKG einen Linksschenkelblock, eine linksventrikuläre Hypertrophie oder einen ventrikulären Herzschrittmacherrhythmus aufweist. Dies liegt einfach daran, dass bei diesen Zuständen die EKG-Wellenformen – sowohl QRS als auch ST-T – deutlich verändert sind und sie eine Ischämie sowohl maskieren als auch imitieren können. Dennoch kann auch in diesen Fällen der Versuch unternommen werden, eine Ischämie im EKG zu beurteilen. Dieses Verfahren wurde oben für den Linksschenkelblock diskutiert. Darüber hinaus können einige allgemeine Ratschläge gegeben werden (diese überschneiden sich teilweise mit den Sgarbossa-Kriterien und können auf alle dieser drei Situationen angewendet werden):

  • Untersuche immer, ob sich die EKG-Wellenformen von früheren EKG-Aufzeichnungen unterscheiden. Wenn es Unterschiede in der ST-T-Strecke gibt, kann dies auf Ischämie zurückzuführen sein.
  • Untersuche immer, ob die EKG-Wellenformen mit der Erkrankung übereinstimmen. Zum Beispiel ist es normal, T-Wellen-Inversionen in V5, V6, aVL und I im Linksschenkelblock zu haben; das Fehlen solcher T-Wellen-Inversionen deutet auf eine Ischämie hin!
  • Suche nach Pseudonormalisierung von T-Wellen.

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