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Klinische EKG-Interpretation

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  1. Klinische Elektrokardiographie und EKG-Interpretation
    6 Themen
  2. Arrhythmologie
    24 Themen
  3. Koronare (Ischämische) Herzkrankheit, akuten Koronarsyndromen und Myokardinfarkt
    21 Themen
  4. Leitungsverzögerung: AV-Blöcke, Schenkelblöcke, Faszikelblöcke
    11 Themen
  5. Atriale und ventrikuläre Hypertrophie und Dilatation
    5 Themen
  6. Medikamente & Elektrolytstörung
    3 Themen
  7. Genetik, Syndrome & Verschiedene Bedingungen
    7 Themen
  8. Belastungstest (Laufbandtest, Belastungs-EKG)
    6 Themen
  9. Herzschrittmacher und Herzgeräte crt icd
    6 Themen
  10. Pädiatrisches und neonatales EKG
    4 Themen
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Akute Koronarsyndrome ohne ST-Segment-Hebungen: NSTEMI und instabile Angina pectoris

Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Diagnose und dem Management von Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (engl. Non-ST-Elevation Myocardial Infarction, NSTEMI) und instabiler Angina, die zusammen als NSTE-ACS (Non-ST-Elevation Acute Coronary Syndromes) bezeichnet werden. Dieses Kapitel befasst sich mit der Pathophysiologie, Definition, Kriterien und dem Management von Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina. Obwohl zuvor EKG-Veränderungen bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina diskutiert wurden (siehe die Kapitel Klassifikation von akuten Koronarsyndromen sowie ST-Senkung bei Myokardischämie), werden hier weitere Übungen zu den EKG-Merkmalen und -Kriterien bereitgestellt. Das Management und die Behandlung des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und der instabilen Angina wird ausführlich diskutiert. Die in diesem Kapitel vorgestellten klinischen Definitionen und Empfehlungen entsprechen den neuesten Richtlinien (2017), die von der American Heart Association (AHA), dem American College of Cardiology (ACC) und der European Society for Cardiology (ESC) herausgegeben wurden. Das Kapitel beginnt mit grundlegenden Konzepten des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und instabiler Angina beginnen und wird diese dann anschließend genauer erläutern.

Wie beim ST-Hebungsinfarkt (STEMI) ist das Kennzeichen des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und der instabilen Angina Brustschmerzen (Brustbeschwerden). Die durch einen Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabilen Angina verursachten Brustschmerzen sind jedoch weniger schwerwiegend als die Schmerzen bei akutem ST-Hebungsinfarkt (STEMI). Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina durch partielle (unvollständige) Koronararterienverschlüsse verursacht werden. Ein partieller Verschluss führt zu einer Verringerung des koronaren Blutflusses und dies führt zu einer subendokardialen Ischämie (d.h. eine Ischämie, die nur das Subendokard betrifft). ST-Hebungsinfarkte (STEMI) hingegen werden durch einen vollständigen Koronararterienverschluss verursacht, die zu einem vollständigen Stopp des Blutflusses und damit zu einer ausgedehnteren Myokardischämie führt (dies wird als transmurale Ischämie bezeichnet). Die durch Nicht-ST-Hebungsinfarkte (NSTEMI) und instabile Anginen verursachten Schmerzen sind trotzdem beträchtlich und die meisten Patienten sind daher klinisch deutlich beeinträchtigt. Andere Symptome — wie Dyspnoe, kalter Schweiß, Übelkeit usw. — treten auch beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und bei instabiler Angina auf (siehe Umgang mit Patienten mit Brustschmerzen.

Wie bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) besteht bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina ein erhebliches Risiko, das lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien (ventrikuläre Tachykardie, ventrikuläres Kammerflimmern) und ein darauf folgender Herzstillstand entstehen. Obwohl ventrikuläre Arrhythmien jederzeit nach Koronararterienverschluss auftreten können, tritt die überwiegende Mehrheit innerhalb der ersten (wenigen) Stunde(n) auf. Daher tritt der Großteil aller Todesfälle bei NSTEMI und instabiler Angina während der ersten (wenigen) Stunde(n) auf. Dies unterstreicht die Bedeutung einer schnellen Diagnose und Intervention.

Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) & instabile Angina: anders aber ähnlich

Der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina unterscheiden sich in einem grundlegenden Aspekt: Der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) ist definitionsgemäß ein akuter Myokardinfarkt, während die instabile Angina kein Infarkt ist. Eine instabile Angina wird nur diagnostiziert, wenn keine Hinweise auf einen Myokardinfarkt (Nekrose) vorliegen. Instabile Angina gilt jedoch als akutes Koronarsyndrom, da sie eine unmittelbar bevorstehende Vorstufe des Myokardinfarktes darstellt. Etwa 50% der Patienten mit instabiler Angina entwickeln innerhalb von 30 Tagen einen Myokardinfarkt, wenn sie unbehandelt bleiben. Darüber hinaus ist die Pathophysiologie des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und der instabilen Angina sehr ähnlich: Beide sind auf partielle (unvollständige) Koronararterienverschlüsse zurückzuführen, was bedeutet, dass ein Restblutfluss in der Arterie verbleibt. Darüber hinaus ist das Management des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und der instabilen Angina praktisch gleich. Dies erklärt, warum der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina traditionell als eine Gruppe zusammengefasst wurden.

Behandlungsabfolge bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Die Behandlung von Patienten mit akuten Koronarsyndromen wird von der Mantra time is myocardium (Zeit ist Myokard) bestimmt, was sich auf den fortschreitenden Untergang von Myozyten nach Verschluss einer Koronararterie bezieht. Die Größe, die Lokalisation und die Dauer des Verschlusses sind von größter Bedeutung, aber zusätzliche Faktoren können sich auch auf den Infarktionsprozess auswirken, der normalerweise zwischen 2 und 12 Stunden nach Beginn der Symptome vollendet ist. Der kontinuierliche Untergang des Myokards und die elektrische Instabilität erfordern eine sofortige Diagnose und Behandlung. Daher haben die meisten Kommunen ein regionales Versorgungssystem etabliert, welches die Rettungseinsatz-Zentrale, Krankenwagen, die Notaufnahme, das Katheterisierungslabor und die Kardiologieabteilung umfasst. Diese Einheiten müssen gemeinsam handeln, um die Verzögerung vom Beginn der Symptome bis zur Behandlung zu minimieren.

Allgemeine Prinzipien des Managements von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Das Management des Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) und der instabilen Angina hat sich in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch verbessert und entwickelt sich beständig weiter. Nicht-ST-Hebungsinfarkte (NSTEMI) und instabile Anginen werden mit antiischämischen (zur Linderung der Ischämie) und antithrombotischen (um der Thrombusbildung entgegenzuwirken) Wirkstoffen behandelt. Die meisten Patienten werden innerhalb von 48 Stunden oder früher einer Koronarangiographie unterzogen, wenn der Patient ein hohes Risiko für Mortalität oder andere Komplikationen hat. Symptome, der hämodynamische Status, EKG-Veränderungen, Troponinspiegel und Komorbiditäten bestimmen, ob eine Angiographie umgehend durchgeführt werden sollte. Interessanterweise konnte niemals nachgewiesen werden, dass eine akute Angiographie (die bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI) Routine ist), die Mortalität oder Morbidität bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina reduziert. Richtlinien empfehlen daher keine akute Angiographie bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina. In den Richtlinien wird empfohlen, dass eine PCI möglichst innerhalb von 24 Stunden nach NSTEMI/instabiler Angina durchgeführt werden sollte. Patienten mit geringem Risiko können nach 48 bis 72 Stunden untersucht werden. Das Management wird im Folgenden ausführlich besprochen.

Der ST-Hebungsinfarkt (STEMI, ST Elevation Myocardial Infarction) wird in einem separaten Kapitel diskutiert.

Definitionen und Klassifikation von akuten Koronarsyndromen (akuter Myokardinfarkt)

Der Begriff akutes Koronarsyndrom (ACS) wurde zuvor diskutiert (siehe Einführung in die ischämische Herzkrankheit und Klassifikation akuter Koronarsyndrome). Ein akutes Koronarsyndrom wird durch eine abrupte Verringerung des koronaren Blutflusses verursacht. Die Verringerung des koronaren Blutflusses ist auf eine Atherothrombose zurückzuführen, die auftritt, wenn eine atherosklerotische Läsion aufbricht. Die Atherothrombose behindert den koronaren Blutfluss und verursacht eine Ischämie im dem Myokardgebiet, welches von dieser Arterie versorgt wird. Abbildung 1 zeigt den Prozess von der Atherothrombose bis zur Klassifikation akuter Koronarsyndrome.

Abbildung 1. Eine Ruptur der atherosklerotischen Läsion verursacht eine Atherothrombose, welche den koronaren Blutfluss abrupt verringert. Ein STE-ACS (STEMI) tritt auf, wenn der Verschluss komplett ist, während ein NSTE-ACS (NSTEMI und instabile Angina) auftritt, wenn der Verschluss partiell ist.
Abbildung 1. Eine Ruptur der atherosklerotischen Läsion verursacht eine Atherothrombose, welche den koronaren Blutfluss abrupt verringert. Ein STE-ACS (STEMI) tritt auf, wenn der Verschluss komplett ist, während ein NSTE-ACS (NSTEMI und instabile Angina) auftritt, wenn der Verschluss partiell ist.

Wie bereits erwähnt, führt die Ischämie zu EKG-Veränderungen. Tatsächlich bestimt sogar die Art der Ischämie, welche Art von EKG-Veränderungen auftreten. Daher können akute Koronarsyndrome mithilfe der EKG klassifiziert werden. Die Klassifizierung basiert ausschließlich auf dem Vorhandensein von ST-Segmenthebungen. Diese einfache Klassifikation trennt zwei ziemlich unterschiedliche Syndrome, nämlich das STE-ACS (einschließlich ST-Hebungsinfarkt [STEMI]) und das NSTE-ACS (einschließlich Nicht-ST-Hebungsinfarkt [NSTEMI] und instabiler Angina). Einzelheiten folgen:

  • STE-ACS (ST-Elevation Acute Coronary Syndrome) ist definiert als akutes Koronarsyndrom mit ST-Hebungen im EKG. STE-ACS wurde zuvor diskutiert (siehe ST-Hebungsinfarkt und ST-Hebungen bei Ischämie und Infarkt). Praktisch alle Patienten mit STE-ACS entwickeln einen Myokardinfarkt, der dann als ST-Hebungsinfarkt (STEMI) klassifiziert wird.
  • NSTE-ACS (Non-ST-Elevation Acute Coronary Syndrome): Alle akuten Koronarsyndrome, die die Kriterien eines STE-ACS nicht erfüllen, werden automatisch als NSTE-ACS klassifiziert. Mit anderen Worten: NSTE-ACS ist definiert als akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebungen im EKG. Die Mehrzahl der Patienten mit NSTE-ACS wird erhöhte Troponine aufweisen, was hinweisend auf einen Myokardinfarkt ist und daher diesen Zustand als Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) definiert. Fälle, in denen keine erhöhten Troponine angezeigt werden, werden als instabile Angina klassifiziert. Die überwiegende Mehrheit der Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina weisen Senkungen der ST-Strecke und/oder T-Wellen-Inversionen im EKG auf.

Das NSTE-ACS wird dementsprechend in den Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina unterteilt, je nachdem ob der Troponinspiegel erhöht ist. Erhöhte Troponine (in einem Muster, das mit einer Myokardnekrose übereinstimmt; siehe Diagnose des akuten Myokardinfarkts) sind ein Hinweis auf einen Myokardinfarkt (d.h. ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt), während normale Troponine einen Myokardinfarkt ausschließen (d.h. in dem Fall: instabile Angina). Abbildung 2 zeigt die Entstehung und Klassifikation akuter Koronarsyndrome.

Abbildung 2. Klassifikation akuter Koronarsyndrome in STE-ACS (ST-Hebungsinfarkt, STEMI) und NSTE-ACS (Nicht ST-Hebungsinfarkt und instabile Angina).
Abbildung 2. Klassifikation akuter Koronarsyndrome in STE-ACS (ST-Hebungsinfarkt, STEMI) und NSTE-ACS (Nicht ST-Hebungsinfarkt und instabile Angina).

Epidemiologie von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Die Mortalität bei akutem Myokardinfarkt ist in den letzten drei Jahrzehnten um 50% zurückgegangen. Dies wird durch den verstärkten Einsatz der Revaskularisation (perkutane Koronarintervention oder Fibrinolyse), Fortschritte bei Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern sowie aggressive primäre Präventionsstrategien mit Statinen, blutdrucksenkenden Arzneimitteln und Antidiabetika erklärt. Ein Rückgang von Rauchen hat sicherlich auch zu den beobachteten Trends beigetragen.

1990 machte der ST-Hebungsinfarkt (STEMI) etwa 50% aller akuten Myokardinfarkte aus. Die Inzidenz von ST-Hebungsinfarkten (STEMI) ist seitdem allmählich zurückgegangen. Derzeit macht der ST-Hebungsinfarkt (STEMI) 25-40% aller akuten Myokardinfarkte aus. Im gleichen Zeitraum stieg der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) von 50% auf 60-75% aller Infarkte. Dies erklärt sich durch die Implementierung von immer sensibleren Biomarker (Troponin)-Assays zum Nachweis von Myokardnekrosen (d.h. einem Myokardinfarkt). Im Jahr 2017 war es möglich Myokardinfarkte zu erkennen, die 100 Mal kleiner waren solche, die im Jahr 2001 detektiert werden konnten. Daher werden viele Patienten, die zuvor als instabile Angina diagnostiziert worden wären, heutzutage als Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) eingestuft. Es ist zu erwarten, dass der als instabile Angina eingestufte Anteil weiter abnehmen wird, da die Troponin-Assays immer sensitiver werden.

Trotz der Fortschritte bei der Behandlung und dem Nachweis von Nicht-ST-Hebungsinfarkten (NSTEMI) und instabiler Anginen verursachen diese Krankheitszustände weltweit eine beträchtliche Mortalität und Morbidität.

NSTEMI und instabile Angina werden von partiellen (unvollständigen) Verschlüssen verursacht

Der Schweregrad akuter Koronarsyndrome hängt hauptsächlich von der Lokalisation, Größe und Dauer der Okklusion ab. In Anbetracht der Lage sind proximale Verschlüsse schwerwiegender als distale Verschlüsse, einfach weil ein proximaler Verschluss mehr Arterienäste und damit mehr Myokard betreffen wird. In Bezug auf die Größe der Okklusion ist es offensichtlich, dass ein vollständiger Verschluss schwerwiegender sein wird als ein partieller Verschluss. Es hat sich tatsächlich herausgestellt, dass ST-Hebungsinfarkte (STEMI) durch komplette Okklusionen (proximal gelegen) verursacht werden. Solche Verschlüsse führen zu einer transmuraler Ischämie (Infarkt), was bedeutet, dass sich die Ischämie vom Endokard bis zum Epikard in der betroffenen Region erstreckt. Nicht-ST-Hebungsinfarkte (NSTEMI) und instabile Anginen hingegen sind auf einen partiellen Verschluss zurückzuführen, was bedeutet, dass ein gewisser Blutfluss in der Arterie bestehen bleibt. Solche Okklusionen führen zu einer subendokardiale Ischämie, was bedeutet, dass nur das Subendokard betroffen ist. Der Grund, warum das Subendokard bei partiellen Verschlüssen betroffen ist, wurde zuvor diskutiert (siehe Klassifikation akuter Koronarsyndrome und Myokardinfarkt). Siehe auch Abbildungen 1, 2 und 3.

Abbildung 3. NSTE-ACS (Non-STEMI) wird durch ein partiellen Arterienverschluss verursacht, was bedeutet, dass es einen gewissen Restblutfluss in der Arterie gibt. Die Ischämie betrifft das Subendokard, das die schlechtesten Voraussetzungen für eine Ischämie hat. Das Subendokard ist zu weit vom Blut in der Ventrikelhöhle entfernt und der Sauerstoffgehalt in der Koronararterie ist reduziert, da während der Passage durch das Myokard Sauerstoff extrahiert wurde. Im Fall von STE-ACS wird der gesamte Querschnitt ischämisch.
Abbildung 3. NSTE-ACS (Non-STEMI) wird durch ein partiellen Arterienverschluss verursacht, was bedeutet, dass es einen gewissen Restblutfluss in der Arterie gibt. Die Ischämie betrifft das Subendokard, das die schlechtesten Voraussetzungen für eine Ischämie hat. Das Subendokard ist zu weit vom Blut in der Ventrikelhöhle entfernt und der Sauerstoffgehalt in der Koronararterie ist reduziert, da während der Passage durch das Myokard Sauerstoff extrahiert wurde. Im Fall von STE-ACS wird der gesamte Querschnitt ischämisch.

Akute und langfristige Komplikationen von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Die akuten Komplikationen von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina ähneln denen des ST-Hebungsinfarktes (STEMI), treten jedoch weniger häufig auf. Abbildung 4 fasst die Komplikationen zusammen.

Abbildung 4. Akute, subakute und langfristige Komplikationen bei akutem Myokardinfarkt. RCA = Rechte Koronararterie. Angepasst von GW Reed et al., The Lancet (2017).
Abbildung 4. Akute, subakute und langfristige Komplikationen bei akutem Myokardinfarkt. RCA = Rechte Koronararterie. Angepasst von GW Reed et al., The Lancet (2017).

EKG bei NSTEMI & instabiler Angina

Der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina verursachen typischerweise Senkungen der ST-Strecke, die häufig von negativen (invertierten) T-Wellen oder flachen T-Wellen begleitet werden. Wichtig ist, dass Ableitungen mit ST-Senkungen nicht unbedingt den ischämischen Bereich widerspiegeln. Dies bedeutet, dass ST-Senkungen in den Ableitungen V3-V4 nicht unbedingt auf eine Ischämie der Vorderwand zurückzuführen sind. In ähnlicher Weise bedeuten ST-Senkungen in den Ableitungen II, aVF und III nicht, dass sich die Ischämie in der inferioren Wand befindet. Mit anderen Worten können ST-Senkungen den ischämischen Bereich nicht lokalisieren und daher kann das EKG nicht verwendet werden, um den Ort der Ischämie bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina zu bestimmen. Dies steht im Gegensatz zu ST-Hebungen, die auf den Bereich der Ischämie hinweisen (siehe Lokalisation akuter Myokardischämie und Infarkt für Details).

Ischämische ST-Senkungen sind durch eine horizontale oder absteigende ST-Strecke gekennzeichnet. In den nordamerikanischen und europäischen Leitlinien heißt es, dass die ST-Strecke entweder absteigend oder horizontal sein muss, da sonst eine Ischämie wahrscheinlich nicht die Ursache ist (Abbildung 5). Eine eingehende Diskussion über ST-Senkungen findet sich im Kapitel über ST-Streckensenkungen bei Ischämie und Infarkt.

Abbildung 5. Merkmale von ischämischen Senkungen der ST-Strecke.
Abbildung 5. Merkmale von ischämischen Senkungen der ST-Strecke.

EKG-Kriterien für die Diagnose von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Kriterien für eine ischämische ST-Senkung

  • Neue horizontale oder absteigende ST-Segmentsenkungen ≥ 0,5 mm in mindestens zwei anatomisch zusammenhängenden Ableitungen.

Kriterien für ischämische T-Wellen-Inversionen

  • T-Wellen-Inversion ≥1 mm in mindestens zwei anatomisch zusammenhängenden Ableitungen. Diese Ableitungen müssen evidente R-Wellen haben oder R-Wellen, die größer als die S-Wellen sind.

Pathologische (Infarkt) Q-Wellen

Pathologische Q-Wellen treten bei einem ausgedehnten Infarkt auf, was bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) normalerweise nicht der Fall ist. Daher entwickeln Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) typischerweise keine pathologischen Q-Wellen. In einigen Fällen kann die subendokardiale Verletzung jedoch bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) so umfangreich sein, das pathologische Q-Wellen entstehen. Es ist zu bemerken, dass die instabile Angina keine QRS-Veränderungen zur Folge hat, da dieser Krankheitszustand nicht zur Myokardnekrose (Infarkt) führt.

Normales EKG bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina

Eine Minderheit der Patienten mit NSTE-ACS zeigt bei der Ankunft ein normales EKG. Es ist jedoch ungewöhnlich, während des gesamten Verlaufes ein normales EKG zu haben. Die meisten Patienten mit normalem EKG zu Beginn entwickeln im Verlauf einige EKG-Veränderungen. Darüber hinaus schließt ein normales EKG bei Ankunft in der Notaufnahme eine Myokardischämie/den Infarkt nicht aus. Einige Infarkte sind zu klein, um EKG-Veränderungen hervorzurufen während sich andere im Laufe der Zeit dynamisch verhalten und zunächst ohne EKG-Veränderungen auftreten.

Klinische Beurteilung und initiale Evaluation von Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Frühes Management bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina müssen sofort in die Notaufnahme überwiesen werden. Der Patient sollte vorzugsweise mit dem Rettungsdienst transportiert werden. Studien haben mehrere Vorteile der Einbeziehung des Rettungsdienstes gezeigt, wie z.B. eine geringere Verzögerung bis zur Einleitung evidenzbasierter Therapien und kürzere Zeit bis zur ersten Einschätzung vom Arzt in der Notaufnahme. Dennoch wird der Rettungsdienst bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt stark unzureichend genutzt. Laut dem NRMI-Register verwendet etwa nur die Hälfte der Patienten mit akutem Myokardinfark den Rettungsdienst. Darüber hinaus zeigen Studien auch, dass Patienten, die mit dem Rettungsdienst kommen, eine höhere Mortalität und Morbidität aufweisen, verglichen mit der Gesamtpopulation von akuten Koronarsyndromen. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass Patienten mit Rettungsdienst mehr Komorbiditäten haben, eine höhere Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben und im Allgemeinen älter sind.

Vom Rettungsdienst sollten die Vitalfunktionen sofort bewertet werden und auf eine hämodynamische, elektrische und respiratorische Instabilität reagiert werden. Wenn der Patient hämodynamisch stabil ist, sollte eine kurze Anamnese (Fokus auf koronare Risikofaktoren und aktuelle Symptome) und eine Risikostratifizierung durchgeführt werden. Evidenzbasierte Therapien können bereits im Krankenwagen eingeleitet werden. Sauerstoff, Morphin, Nitrate und Aspirin sind sicher und wirksam, um sie auf dem Weg ins Krankenhaus zu verabreichen. Ein Defibrillator muss immer bereit sein und ein venöser Zugang sollte gelegt werden. Zu den wichtigen Parametern gehören Herzfrequenz, Herzrhythmus, Blutdruck, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Bewusstsein. Das EKG und die Brustschmerzen (oder andere Symptome, die auf ein ACS hindeuten) müssen evaluiert werden.

Prähospitales 12-Kanal-EKG

Ein 12-Kanal-EKG sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchgeführt und sofort ausgewertet werden. Das prähospitale Personal hat sich als überaus fähig erwiesen, ischämische EKG-Veränderungen zu erkennen. Außerdem können EKGs zur weiteren Bewertung elektronisch an das Krankenhaus übermittelt werden. Wenn das anfängliche EKG nicht diagnostisch ist, können zusätzliche EKGs durchgeführt werden, wenn es die Zeit und andere Umstände erlauben. Obwohl eine prähospitale Troponinanalyse teilweise verfügbar ist, wird im Allgemeinen davon abgeraten, da sie das Überleben nicht verbessert.

Die gleichen klinischen Parameter müssen in der Notaufnahme beurteilt werden. Die Einschätzung von Komplikationen (z.B. Herzinsuffizienz) ist wichtig, da diese zusätzliche Interventionen erfordern können. Neue 12-Kanal-EKGs werden (ggf. seriell) durchgeführt. Die Leitlinien empfehlen, dass ein 12-Kanal-EKG innerhalb von 10 Minuten nach Ankunft der Patienten in der Notaufnahme beurteilt werden sollte. Möglicherweise sind zusätzliche Ableitungen (V3R, V4R, V7, V8 und V9) erforderlich. Die kontinuierliche Überwachung mit einem 12-Kanal-EKG (ST-Streckenüberwachung) erhöht die Detektion von Ischämien, aber solche Geräte sind häufig nicht verfügbar.

Kardiale Troponin (T oder I)-Spiegel werden bei Ankunft und 3 bis 6 Stunden nach dem Beginn der Symptome abgenommen. Steigende oder fallende Werte mit mindestens einem Wert über der oberen Normalgrenze sind ein Hinweis auf einen akuten Myokardinfarkt. Es muss beachtet werden, dass normale Troponine den Myokardinfarkt erst 6 Stunden nach der letzten Episode der Symptome ausschließen (es kann 6 Stunden dauern, bis Troponine nach einer Myokardnekrose steigen).

Objektive Nachweise einer Myokardischämie/Infarkt: EKG & Herztroponine

Patienten mit objektiven Nachweisen einer Myokardischämie – d.h. ischämischen EKG-Veränderungen oder erhöhten Troponinen – sollten sofort antiischämische und antithrombotische Medikation erhalten (sofern keine Kontraindikationen vorliegen). Patienten ohne objektive Nachweise einer Myokardischämie (d.h. diejenigen, die nur Symptome wie Brustschmerzen haben) sollten in einer Chest-Pain-Unit beobachtet werden, damit serielle EKGs und Troponine untersucht werden können. In den Leitlinien wird empfohlen, dass Patienten ohne objektive Nachweise einer Ischämie einen Belastungstest durchführen sollten, sobald sich ihr Zustand stabilisiert hat. Stress-Myokardperfusionsbildgebung, Stress-Echokardiographie oder CTCA (Computertomographie der Koronararterien) sind teurere Alternativen, bieten jedoch eine höhere Sensitivität und Spezifität.

Management in der Notaufnahme

Antiischämische und antithrombotische Medikation sollte unverzüglich verabreicht werden, wenn der Verdacht auf Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabile Angina stark ist, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Unter den potenziell lebensbedrohlichen Differentialdiagnosen ist die Aortendissektion die wichtigste, da sie eine Kontraindikation für mehrere bei akuten Koronarsyndromen verwendeten Mittel darstellt.

Alle Patienten mit NSTE-ACS (Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabile Angina) werden im Bezug auf ähnlich die antiischämischen und antithrombotischen Medikamente ähnlich behandelt. Das Management muss jedoch in Hinblick auf eine Koronarangiographie (PCI) individualisiert werden. Die Mehrzahl der Patienten sollten innerhalb von 24 Stunden eine Angiographie bekommen. Patienten mit hohem Risiko sollten jedoch früher mit einer Angiographie evaluiert werden. In den Leitlinien wird die Verwendung validierter Risikomodelle empfohlen, um das Risiko eines akuten Myokardinfarktes, der 30-Tage-und der 1-Jahres-Mortalität abzuschätzen.

GRACE und PURSUIT sind solche Risikomodelle und einfach handzuhaben. Je höher das geschätzte Risiko ist, desto früher sollte eine Angiographie durchgeführt werden.

Wie immer bei Patienten mit akuten Koronarsyndromen sollten nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID) während der akuten Phase zurückgehalten werden. NSAIDs (außer Aspirin) erhöhen die Mortalität bei Patienten mit akuten Koronarsyndromen.

Evidenzbasierte Therapien für Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) & instabile Angina

Sauerstoff bei akuter Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina

Sauerstoff wird bei einer Sauerstoffsättigung < 90%gegeben. Es gibt keine Belege dafür, dass Sauerstoff einen Nutzen bringt.

Es liegen keine Daten vor, die den Nutzen von Sauerstoff bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina unterstützen oder widerlegen. Richtlinien empfehlen Sauerstoff, wenn die Sauerstoffsättigung < 90% beträgt. Sauerstoff kann auch bei Patienten mit Lungenödem, Herzinsuffizienz und mechanischen Komplikationen (freier Wandruptur, ventrikulärer Septumruptur, Mitralprolaps) von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina indiziert sein.

Analgetika bei akuter Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) & instabiler Angina

Morphinsulfat wird allen Patienten mit akuter Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina verabreicht. Bei Patienten mit Hypotonie ist Vorsicht geboten.

Schmerz aktiviert das sympathische Nervensystem, was erstens zu peripherer Vasokonstriktion, zweitens zu einem positivem inotropem Effekt und drittens zu einem positivem chronotropen Effekt führt. Dies erhöht die Arbeitsbelastung des Herzens und verschärft daher die Ischämie. Adäquate Dosen von Analgetika sind notwendig, um die potenziell schädlichen Auswirkungen des sympathischen Nervensystems zu verhindern. Analgetika lindern Schmerzen und mindern Angstgefühle.

Morphin ist das Mittel der ersten Wahl. Morphin verursacht auch eine Dilatation der Venen, was die Vorlast des Herzens verringert. Eine Verringerung der Vorlast führt zu einer verringerten Arbeitsbelastung des linken Ventrikels, was sowohl die Ischämie als auch die Schwere des Lungenödems verringern kann.

Die erforderliche Morphindosis hängt vom Alter, dem Body Mass Index (BMI) und dem hämodynamischen Status ab. Reduzierte Dosen sind bei Patienten mit Hypotonie gerechtfertigt, da Morphin eine zusätzliche Vasodilatation verursachen kann. Eine Anfangsdosis von 2 bis 5 mg IV wird empfohlen. Die Injektionen können alle 5 Minuten wiederholt werden, bis 30 mg verabreicht wurden. Naloxon (0,1 mg IV, bei Bedarf alle 10 Minuten wiederholt) kann verabreicht werden, wenn Anzeichen einer Morphin-Überdosierung vorliegen. Morphin kann eine Bradykardie verursachen, die mit Atropin 0,5 mg IV (bei Bedarf wiederholt) behandelt werden kann. Wenn insgesamt 30 mg Morphin nicht ausreicht, um die Schmerzen zu lindern, sollte eine Aortendissektion vermutet werden.

NSAIDs (nichtsteroidale Antiphlogistika) und selektive Cyclooxygenase II (COX-2)-Inhibitoren sind kontraindiziert (diese Medikamente erhöhen die Mortalität bei akuten Koronarsyndromen).

Es sollte beachtet werden, dass Nitrate und Betablocker ebenfalls analgetische Wirkungen haben (siehe unten). Es ist entscheidend, dass die Verwendung von Morphin den Einsatz von Betablockern nicht einschränkt, da sie ihre negativen hämodynamischen Effekte gegenseitig potenzieren und nur Betablocker die Mortalität senken.

Nitrate (Nitroglycerin)

Nitrate werden der überwiegenden Mehrheit der Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) verabreicht. Nitrate haben keinen Einfluss auf die Prognose, sondern lindern die Symptome.

Nitrate bewirken eine Vasodilatation, indem sie die glatte Muskulatur in Arterien und Venen relaxieren. Die Vasodilatation reduziert den venösen Rückfluss zum Herzen, wodurch die Vorlast des Herzens verringert wird. Dies reduziert die Arbeitsbelastung des Myokards und damit den Sauerstoffbedarf. Nitrate lindern daher ischämische Symptome (Brustschmerzen) und Lungenödeme.

Eine Dosis von 0,4 mg (Sublingual oder als Tablette) wird zunächst verabreicht und kann dreimal in 5-Minuten-Intervallen wiederholt werden. Eine Nitroglycerin-Infusion sollte in Betracht gezogen werden, wenn die Wirkung unzureichend ist (schwere Angina pectoris) oder Anzeichen einer Herzinsuffizienz vorliegen. Die Infusion kann mit 5 μg/min eingeleitet und alle 5 Minuten bis 10—20 μg/min titriert werden. Die Dosis wird titriert, bis die Symptome gelindert sind oder eine maximale Dosis von 200—300 μg/min erreicht ist.

Nitrate sollten nicht bei (1) Patienten mit Hypotonie, (2) Verdacht auf rechtsventrikulären Infarkt, (3) Seheraortenstenose, (4) hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie oder (5) Lungenembolie verabreicht werden. Die Verabreichung sollte mit Vorsicht geschehen, wenn der Blutdruck vom Ausgangswert um >30 mmHg abfällt. Wie bei Morphin darf die Verwendung von Nitraten die Verwendung von Betablockern und ACE-Hemmern nicht einschränken (diese Medikamente beeinflussen den Blutdruck und die Herzfrequenz).

Betablocker bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Orale Beta-Blocker sollten allen Patienten in maximal verträglicher Dosis verabreicht und auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden. Die Therapie sollte innerhalb von 24 Stunden eingeleitet werden. Intravenöse Betablocker sind potenziell schädlich bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina.

Beta-Blocker reduzieren vermutlich Morbidität und Mortalität. Die Evidenz für Betablocker bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina ist jedoch weniger robust als bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI). Vorteilhafte Effekte von Betablockern wurden im akuten und langfristigen Setting nachgewiesen. Frühe Studien zeigten, dass Betablocker das Risiko einer Progression von instabiler Angina zu Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) wohl reduzieren können.

Betablocker haben einen negativ inotropen und negativ chronotropen Effekt, der die Herzfrequenz (Dauer der Diastole verlängert sich), das Herzzeitvolumen und den Blutdruck senkt. Die Arbeitsbelastung des Myokards verringert sich und der Sauerstoffbedarf kleiner. Die Verlängerung der Diastole gibt zusätzliche Zeit für die Durchblutung des Myokards (das Myokard wird nur während der Diastole perfundiert). Eine Vielzahl von Studien – insbesondere bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI), aber auch bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina – belegen, dass Betablocker das Überleben erhöhen, die Morbidität reduzieren und die linksventrikuläre Funktion verbessern. Betablocker schützen vermutlich auch vor ventrikulären Tachyarrhythmien (ventrikuläre Tachykardie).

Die Behandlung mit Betablockern sollte frühzeitig innerhalb von 24 Stunden beginnen, vorausgesetzt, dass der Patient hämodynamisch stabil ist. Bei Beginn wird Metoprolol 25 mg oral viermal täglich empfohlen. Die Dosis wird so lange titriert, bis die maximal verträgliche Dosis oder 200 mg erreicht sind. Präparate mit verzögerter Freisetzung werden bevorzugt, sobald die Maximaldosis erreicht ist. Metoprolol, Carvedilol und Bisoprolol sind allesamt evidenzbasierte Betablocker.

Kontraindikationen und Vorsicht bei:

Betablocker sollten in den folgenden Szenarien vermieden oder verschoben werden:

  • Patienten mit akuter Herzinsuffizienz sollten während der akuten Phase von Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina keine Betablocker erhalten. Sobald die Herzinsuffizienz stabilisiert ist, sind Betablocker äußerst vorteilhaft bei Herzinsuffizienz und sollten daher begonnen werden.
  • Patienten mit einem Risiko für einen kardiogenen Schock sollten aufgrund des negativ inotropen und negativ chronotropen Effekts keine Betablocker erhalten.
  • Patienten mit einem AV-Block ersten Grades sollten nach Beginn der Betablocker ein zweites EKG erhalten, da der AV-Block ersten Grades zu einem AV-Block höheren Grades werden kann. Ein AV-Block zweiten Grades und AV-Block dritten Grades (ohne Herzschrittmacher) sind Kontraindikationen.
  • Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung sollten Beta-1-selektive Präparate (z.B. Bisoprolol) erhalten.

Nicht-Dihydropyridin-Kalziumkanalblocker (CCB)

Patienten mit anhaltender oder wiederkehrender Ischämie und Kontraindikation für Betablocker können von oralen CCBs (z.B. Verapamil, Diltiazem) profitieren.

Kalziumkanalblocker werden in Betracht gezogen, wenn der Patient gegenüber Betablockern intolerant ist. Verapamil und Diltiazem reduzieren die Angina-Symptome und können (Evidenz ist vage) bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina von Vorteil sein. CCBs können bei Patienten mit anhaltender oder wiederkehrender Ischämie trotz adäquater Verwendung von Betablockern, Nitraten und Morphin in Betracht gezogen werden.

Kalziumkanalblocker sollten als Ersttherapie bei Patienten mit signifikanter linksventrikulärer Dysfunktion, erhöhtem Risiko für kardiogenen Schock, AV-Block ersten/zweiten/dritten (ohne Herzschrittmacher) Grades nicht eingesetzt werden.

Antithrombotische Therapie

Thrombozytenaggregationshemmer

Eine Loading-Dosis von Aspirin (160 mg bis 320 mg) sollte allen Patienten sofort verabreicht werden. Aspirin wird auf unbestimmte Zeit fortgesetzt (Erhaltungsdosis 80 mg täglich).

Eine Loading-Dosis eines P2Y12-Rezeptor-Inhibitors sollte ebenfalls sofort verabreicht und dann für 12 Monate fortgesetzt werden. Es gibt drei Alternativen:
• Clopidogrel, 600 mg Loading-Dosis – Der am wenigsten wirksame der P2Y12-Rezeptor-Inhibitoren.
• Prasugrel, 60 mg Loading-Dosis.
• Ticagrelol 180 mgLoading-Dosis – Das bevorzugte Mittel, das mit Aspirin kombiniert werden sollte.

Aspirin

Aspirin hat eine erstaunliche Wirkung bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina: Es reduziert die 30-Tage-Mortalität um 50%. Aspirin verhindert auch einen erneuten Infarkt über einen Zeitraum von 30 Tagen hinaus und darf niemals ohne sorgfältige Überlegung abgesetzt werden. Die optimale Dosis von Aspirin ist unbekannt, aber Studien zeigen, dass Erhaltungsdosen zwischen 80 mg und 1500 mg gleichermaßen wirksam sind. Daher werden 80 mg bevorzugt, da so das Risiko von Magen-Darm-Blutungen minimiert wird. Ebenso bringen Loading-Dosen von mehr als 320 mg keinen zusätzlichen Nutzen, weshalb eine Loading-Dosis von 320 mg empfohlen wird.

Dual antiplatelet therapy (DAPT)

Ein optimaler Thrombozytenaggregationseffekt erfordert die Addition von Ticagrelol, Prasugrel oder Clopidogrel. Die Kombination von Aspirin mit einem dieser Präparate wird als DAPT (duale Thrombozytenaggregationshemmung) bezeichnet. Eine individuelle Beurteilung des Blutungsrisikos sollte vorher unbedingt erfolgen. DAPT sollte vermieden werden, wenn das Risiko hoch ist. DAPT wird bei allen Patienten 12 Monate fortgesetzt. Die Indikation ist bei Patienten, bei denen eine PCI mit Platzierung eines Stents durchgeführt wird, stärker.

Clopidogrel

Die Addition von Clopidogrel zu Aspirin reduziert das Risiko von Tod, Schlaganfall und akutem Myokardinfarkt zusätzlich um 20%, allerdings zu Lasten von einem um 28% erhöhtem Blutungsrisiko. Eine Loading-Dosis von 600 mg gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 80 mg täglich wird empfohlen. Clopidogrel wird 5 Tage vor einer geplanten CABG (Koronararterien-Bypass-Transplantation) pausiert. Obwohl Clopidogrel weniger Blutungen verursacht als Prasugrel und Ticagrelol, ist es weniger effektiv und daher nur zweite Wahl.

Prasugrel

Im Vergleich zu Clopidogrel bietet Prasugrel eine stärkere Verringerung des Risikos für kardiovaskulären Tod, akuten Myokardinfarkt, Schlaganfall und Stentrestenose. Prasugrel ist indiziert (Loading-Dosis 60 mg, Erhaltungsdosis 10 mg), wenn eine PCI geplant ist und der Patient nicht bereits Clopidogrel einnimmt. Prasugrel sollte vermieden werden, wenn ein hohes Blutungsrisiko vorliegt, sowie bei Patienten mit früherer TIA (Transitorische ischämische Attacke) oder Schlaganfall. Die Erhaltungsdosis wird bei Patienten, die älter als 75 Jahre sind, sowie bei Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 60 kg auf 5 mg täglich reduziert. Prasugrel wird 7 Tage vor einer geplanten CABG pausiert.

Ticagrelol

Im Vergleich zu Clopidogrel ist Ticagrelol stärker und hat einen schnelleren Wirkungseintritt. Auf eine Loading-Dosis von 180 mg folgt zweimal täglich eine Erhaltungsdosis von 90 mg. Im Vergleich zu Clopidogrel reduziert Ticagrelol das Risiko einer kardiovaskulären Mortalität um 21% und einen akuten Myokardinfarkt um 16%. Ticagrelol verursacht 19% mehr Blutungen. Die Verringerung der Mortalität und des Myokardinfarkt überwiegt das Blutungsrisiko, weshalb Ticagrelol jetzt allen Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina (in Kombination mit Aspirin) empfohlen wird.

Intravenöse Thrombozytenaggregationshemmer: Glykoprotein (GP) IIB/IIA-Rezeptorantagonisten

GP IIb/IIIa-Inhibitoren werden im Katheterisierungslabor verabreicht. Diese Medikamente sind hochwirksame Thrombozytenhemmer, die bei Patienten mit hohem Risiko in Betracht gezogen werden sollten.

Diese Präparate (Abciximab, Tirofiban, Eptifibatid, Elinogrel) blockieren den GP IIb/IIIa-Rezeptor, der sich auf der Membran von Thrombozyten befindet und Thrombozyten an Fibrinogen und von-Willebrand-Faktor bindet. Diese Klasse von Medikamenten führt tatsächlich zur stärksten Blutplättchenhemmung, die es gibt. Randomisierte kontrollierte klinische Studien zeigten, dass GP IIb/IIIa-Inhibitoren das Risiko für Tod und akuten Myokardinfarkt bei Patienten, die sich einer PCI unterzogen haben (Patienten erhielten Aspirin und Clopidogrel, bevor GP-III/IIIa-Hemmer während der PCI verabreicht wurden), reduzieren. Es ist jedoch nicht bekannt, wie GP IIB/IIIa-Inhibitoren bei bei bestehender DAPT optimal verabreicht werden können.

Antikoagulantien bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Fondaparinux ist das Mittel der Wahl und sollte allen Patienten im akuten Setting verabreicht werden. Enoxaparin, Heparin oder Thrombin-Inhibitoren sind Mittel zweiter Wahl.

Fondaparinux

Fondaparinux (2,5 mg täglich, Behandlungsdauer 4 bis 5 Tage) ist das Mittel erster Wahl unter den Antikoagulanzien. Fondaparinux ist so wirksam wie Enoxaparin in Bezug auf die Reduzierung von akutem Myokardinfarkt, Tod und Reischämie, verursacht aber nur halb so viele Blutungen. Fondaparinux wird daher gegenüber Enoxaparin bevorzugt. Fondaparinux sollte bei Patienten, die sich einer PCI unterziehen, mit unfraktioniertem Heparin (50 E/kg) kombiniert werden, um das Risiko einer katheterassoziierten Thrombose während der PCI zu verringern.

Heparin

Unfraktioniertes Heparin (UFH) und niedermolekulares Heparin (LMWH; Dalteparin, Enoxaparin) wurden bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina umfassend untersucht. Enoxaparin (1 mg/kg subkutan alle 12 Stunden) und Dalteparin scheinen UFH überlegen zu sein. Die Behandlung wird fortgesetzt, bis ein klinisch stabiler Zustand erreicht ist, was normalerweise eine Behandlung von 2 bis 8 Tagen erfordert.

Direkte Thrombin-Inhibitoren

Diese Medikamente (Hirudin, Bivalirudin, Argotroban) verleihen im Vergleich zu UFH ein um 20 reduziertes Risiko für Mortalität und akuten Myokardinfarkt auf Kosten von doppelt so vielen Blutungen. Aufgrund des hohen Blutungsrisikos werden diese Arzneimittel nur bei Patienten mit Heparin-Intoleranz (Heparin-induzierte Thrombozytopenie) empfohlen. Bivalirudin wurde ausführlich untersucht und kann bei Patienten in Betracht gezogen werden, die sich einer PCI unterziehen.

Angiographie und Revaskularisierung (PCI, CABG)

Da der Koronarverschluss bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina partiell ist, gibt es in der ischämischen Zone eine gewisse Restperfusion. Daher ist die Revaskularisierung (PCI) weniger dringend und kann im Allgemeinen verzögert werden, ohne das die Prognose dadurch verschlechtert wird. In der Tat hat bisher keine Studie eine positive Wirkung einer sofortigen PCI bei Patienten ohne ST-Hebungen nachgewiesen. Trotzdem sollten sich praktisch alle Patienten einer Angiographie unterziehen, um die Koronararterien zu beurteilen. Der Zweck der Koronarangiographie besteht darin, festzustellen, ob es akute Verschlüsse gibt, die entweder mit PCI oder CABG behandelt werden können.

Merkmale, die das Timing der Revaskularisation bei instabiler Angina oder Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) bestimmen

  • In der Regel sollten sich praktisch alle Patienten innerhalb von 72 Stunden einer Angiographie unterziehen.
  • Eine sofortige Angiographie (Angiographie innerhalb von 2 Stunden) wird bei Patienten mit folgenden Begleiterscheinungen empfohlen:
    • Bösartige ventrikuläre Arrhythmien (anhaltende ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern, Herzstillstand).
    • Hämodynamische Instabilität
    • Herzinsuffizienz (Killip III—IV)
    • Hochgradige Brustschmerzen (refraktäre Angina) trotz adäquater Verwendung von antiischämischen und analgetischen Medikamenten
  • Eine frühzeitige Angiographie (Angiographie innerhalb von 24 Stunden) wird bei folgenden Patienten empfohlen:
    • Bewertung mit hohem Risiko (TIMI ≥4, GRACE >140),
    • Hohe Troponine
    • Anhaltende risikoreiche oder dynamische elektrokardiographische Veränderungen
    • ST-Hebungen, die nicht den STEMI-Kriterien entsprechen
  • Eine Angiographie nach 25 bis 72 Stunden wird in folgenden Situationen empfohlen:
    • Keine Umstände, die eine sofortige oder frühe invasive Strategie erfordern
    • Bewertung mit mittlerem Risiko (TIMI 2-3, GRACE 109-140).
    • Wiederkehrende Angina oder Anzeichen einer Ischämie trotz Therapien
    • Ejektionsfraktion < 40%, Diabetes, Niereninsuffizienz (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate <60 ml/min/1,73 m), frühere Bypass-Transplantation der Koronararterien oder perkutane Koronarintervention innerhalb von 6 Monaten

Wenn eine PCI durchgeführt wird, sollte der Patient einen Stent erhalten.

Patienten, die keine Kandidaten für eine Angiographie sind, werden nach der sogenannten ischemia-guided strategy versorgt. Dies ist sinnvoll bei Patienten mit geringem Risiko (TIMI ≤1, GRACE <109), Patienten in Krankenhäusern ohne PCI-Einrichtungen und auf der Grundlage der Präferenzen des Patienten. Eine ischemia-guided strategy kann in eine invasive Strategie umgewandelt werden, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechtert.

Fibrinolyse (Thrombolyse) bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und instabiler Angina

Die Fibrinolyse kann bei Patienten ohne ST-Hebungen schädlich sein und sollte daher nicht verabreicht werden.

Literatur

2014 AHA/ACC Guideline for the Management of Patients With Non-ST-Elevation Acute Coronary Syndromes

Acute coronary syndromes (acs) in patients presenting without persistent st-segment elevation (management of)

2013 ACCF/AHA Guideline for the Management of ST-Elevation Myocardial Infarction

Third Universal Definition of Myocardial Infarction (ACC, AHA, ESC joint statement)

ACUTE MYOCARDIAL INFARCTION IN PATIENTS PRESENTING WITH ST-SEGMENT ELEVATION (MANAGEMENT OF), European Society for Cardiology

GW Reed et al, The Lancet (2017): Acute Myocardial Infarction

JL Anderson et al, The New England Journal of Medicine (2017): Acute Myocardial Infarction

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