Rechtsschenkelblock (RSB): EKG, Kriterien, Definitionen, Ursachen & Behandlung
Rechtsschenkelblock (RSB)
Ein Rechtsschenkelblock (RSB) wird durch eine anatomische oder funktionelle Dysfunktion im rechten Tawara-Schenkel verursacht, sodass der elektrische Impuls dort blockiert wird. In Abbildung 1 ist einen Überblick über die Komponenten des ventrikulären Reizleitungssystems dargestellt, einschließlich des rechten Tawara-Schenkels. Beim Rechtsschenkelblock hängt die Depolarisation (d.h. die Aktivierung) des rechten Ventrikels von elektrischen Impulsen ab, die sich vom linken Ventrikel her ausbreiten. Der elektrische Impuls, der sich vom linken Ventrikel (zum rechten Ventrikel) ausbreitet, wird sich jedoch langsam ausbreiten, da er sich teilweise oder vollständig außerhalb des Reizleitungssystems bewegt. Die langsame Ausbreitung des Impulses führt zu einer langsamen (und abnormalen) Aktivierung des rechten Ventrikels, was zu einem bizarren und verlängerten QRS-Komplex im EKG führt. Das Kennzeichen des Rechtsschenkelblocks ist ein QRS-Intervall ≥0,12 Sekunden, eine große R’-Welle in V1/V2 und eine breite und tiefe S-Welle in V5/V6. Abbildung 2 zeigt ein normales EKG, einen Rechtsschenkelblock (RSB) und einen Linksschenkelblock (LSB).
EKG-Kriterien des Rechtsschenkelblocks (RSB)
- QRS-Dauer ≥0,12 Sekunden.
- Ableitungen V1-V2: Der QRS-Komplex ist wie der Buchstabe „M“ geformt. Genauer gesagt zeigt der QRS-Komplex ein rsr’-, rsR’- oder rSR’-Muster (rSR’ ist das häufigste, wie im Beispiel in Abbildung 1). Gelegentlich erreicht die S-Welle die Grundlinie nicht. Die zweite R-Welle (mit R’ bezeichnet) ist praktisch immer größer als die erste R-Welle.
- Ableitungen V5, V6, I, aVL: Breite S-Welle. Die S-Wellendauer ist größer als die R-Wellendauer oder in V6 und I größer als 40 ms.
- ST-T-Veränderungen: V1-V2 zeigen absteigende ST-Strecken und invertierte T-Wellen. Ableitungen V5, V6, I und aVL zeigen positive T-Wellen.
Wenn die QRS-Dauer ≥0,11 Sekunden aber <0,12 Sekunden beträgt, wird der Rechtsschenkelblock als inkomplett bezeichnet. Es ist zu beachten, dass eine zweite r-Welle (r’) als Normalvariante in Ableitung V1 auftreten kann (die Normalvariante hat eine normale QRS-Dauer). Darüber hinaus sind die normalen septalen Q-Wellen (in V5, V6 zu sehen) nicht von einem Rechtsschenkelblock beeinflusst. Gelegentlich zeigt sich der Rechtsschenkelblock nur als eine breite und gekerbte R-Welle in V1 (anstelle von zwei R-Wellen); in diesem Fall sollte die peak time der R-Welle > 0,05 Sekunden betragen.
Elektrophysiologie des Rechtsschenkelblocks (RSB)
Normalerweise werden beide Ventrikel gleichzeitig depolarisiert. Das EKG wird aber vollständig von den elektrischen Vektoren dominiert, die vom linken Ventrikel erzeugt werden, da dessen Muskelmasse wesentlich größer ist die des rechten Ventrikels ist. Beim Rechtsschenkelblock wird der rechte Ventrikel jedoch nach dem linken Ventrikel depolarisiert, und daher können seine elektrischen Vektoren zum Ausdruck kommen. Der elektrische Vektor des rechten Ventrikels erscheint auf dem späteren Teil des QRS-Komplexes in Form einer R’-Welle (der Vektor, der R’ ergibt, ist nach vorn und nach rechts gerichtet).
Da die Depolarisation des rechten Ventrikels abnormal ist, ist die Repolarisation ebenfalls abnormal. Solche Repolarisationsanomalien werden als sekundäre ST-T-Veränderungen bezeichnet. Dies äußert sich im EKG als diskordante ST-T-Strecken, was bedeutet, dass die ST-T-Strecke entgegengesetzt zum QRS-Komplex ausgerichtet ist. Wie in Abbildung 1 gezeigt, folgt dem positiven QRS-Komplex in V1 eine negative ST-T-Strecke mit Senkung der ST-Strecke und T-Wellen-Inversion. Ähnliche Veränderungen sind normalerweise in V2 zu sehen.
Der Rechtsschenkelblock verändert die elektrische Achse des Herzens nicht. Eine Achsenabweichung zeigt an, dass ein gleichzeitiger Faszikelblock vorliegt. Eine Achsenabweichung nach links deutet auf einen gleichzeitigen linksanterioren Faszikelblock (Hemiblock) hin. Eine Achsenabweichung nach rechts deutet auf einen begleitenden linksposteriorer Faszikelblock (Hemiblock) hin.
Klinische Bedeutung des Rechtsschenkelblocks (RSB)
Der Rechtsschenkelblock bei asymptomatischen Personen korreliert nicht mit nachteiligem Outcome. Andererseits kann ein neu aufgetretener Rechtsschenkelblock bei Patienten mit Brustschmerzen auf eine Okklusion in der LAD hinweisen. Nicht zuletzt kann ein neuer Rechtsschenkelblock bei Patienten mit Dyspnoe (insbesondere wenn akut) auf eine Lungenembolie hinweisen. In den allermeisten Fällen ist der Rechtsschenkelblock jedoch ein benigner Befund mit geringen oder gar keinen Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Prognose. Junge Menschen haben selten einen Rechtsschenkelblock. Ein inkompletter Rechtsschenkelblock tritt jedoch gelegentlich auch bei jüngeren Personen auf. Eine große prospektive Kohortenstudie bewertete den Zusammenhang zwischen Rechtsschenkelblock und der Sterblichkeit über einen Zeitraum von 20 Jahren bei ansonsten gesunden Personen: es wurde kein Zusammenhang gefunden.
Ursachen für einen Rechtsschenkelblock (RSB)
- Idiopathische Fibrose oder Degeneration im rechten Tawara-Schenkel
- Angeborene Herzkrankheit
- Ischämische Herzkrankheit (koronare Herzkrankheit)
- Akuters Cor pulmonale (Lungenembolie)
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
- Eine Herzoperation kann einen dauerhaften oder temporären RSB verursachen
- PCI kann temporäre RSB verursachen
- Kardiomyopathie (insbesondere hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) kann RSB verursachen
- aberrante Überleitung
Diagnose von Ischämie und Infarkt bei Vorhandensein eines RSB
Ein Rechtsschenkelblock stört die Diagnose von Ischämie/Infarkt nicht. Es ist möglich, pathologische Q-Wellen zu diagnostizieren (da der erste Teil des QRS nicht vom RSB betroffen ist). Eine akute Ischämie (ST-T-Veränderungen) kann trotz eines Rechtsschenkelblocks wie gewohnt beurteilt werden. Beachte, dass ein akutes Cor pulmonale mit RSB große Q-Wellen in V1-V3, II, III und/oder aVF verursachen kann.